Das der byzantinischen Gotik zuzuordnende Denkmal diente einst dem einflussreicheren bei San Beneto ansässigen Zweig der Adelsfamilie Tron als repräsentative Residenz.
Mit einem majestätischen Blick auf die Rialtobrücke und direktem Zugang zum Canal Grande, liegt der altehrwürdige Palazzo Tron a San Beneto auf San Marco, dem Verwaltungszentrum der historischen Republik Venedig. Das der byzantinischen Gotik zuzuordnende Denkmal diente einst dem einflussreichen Zweig der Adelsfamilie Tron als repräsentative Residenz. Die Mitglieder der Familie Tron bekleideten im Laufe der Geschichte der Republik verschiedenste wichtige politische Ämter. So regierte Nicolò Tron von 1471 bis 1473 als 68. Doge Venedigs und veranlasste den Umbau des aus dem 8. Jahrhundert stammenden Palazzos, der das Gebäude um zwei zusätzliche Stockwerke erweiterte.
2018 erwarb das European Heritage Project wesentliche Teile des Gebäudes, den Piano Nobile, das Erdgeschoss mit Garten sowie Teile des Dachgeschoßes von der alt-venezianischen Adelsfamilie Franchetti.
Der Palazzo weist eine überaus reichhaltige Geschichte. Der Erwerb war daher von dem Bewusstsein über die kulturelle Kostbarkeit und historische Relevanz des denkmalgeschützten Gebäudes geprägt.
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So residierte etwa Sophia Loren hier, als sie 1955 beim Filmfest Venedig als Ehrengast geladen war. Ein Foto, das auf dem Balkon des Palazzos entstand und die italienische Filmdiva in einer ihrer typischen Posen zeigt, hält ihren Besuch bis heute für die Nachwelt fest. Der amerikanische Romanautor Ernest Hemingway war in den 1940er Jahren ein häufig gesehener Gast und wurde darüber hinaus auch ein guter Freund des ehemaligen Palazzo-Besitzers Baron Nanuk Franchetti. Franchetti diente sogar als Vorlage für die literarische Figur des Baron Alvarito in Hemingways 1950 erschienenen Roman “Über den Fluss und in die Wälder.”
Das European Heritage Project freut sich, den ursprünglichen Glanz und Esprit des Palazzo Tron nun wiederaufleben lassen zur dürfen. Dabei wurde mit allgemeinen Renovierungsmaßnahmen begonnen, die natürlich technische, sanitäre und elektronische Aspekte aber auch die vollständige Restaurierung der Fassade beinhalteten. Diese Arbeiten sind inzwischen sämtlich abgeschlossen.
Da der Palazzo einen essentiellen Teil des Ensembles des UNESCO Weltkulturerbes darstellt, hat sich das European Heritage Project zusätzlich zum Ziel gesetzt, die Neubelebung der unmittelbar benachbarten, aber momentan geschlossenen Chiesa di San Beneto zu unterstützen. Einst Konfessions- und Hauskirche der Familie Tron, ist der Sakralbau nicht bloß direkter Nachbar des Palastes, sondern stellt zugleich seinen Namensgeber und den Patron des Stadtviertels dar, den Heiligen Benedikt. Kirche und Palast spiegeln noch heute die Zwei-Schwerter-Lehre wider, die die Überzeugungen der alten Welt dominierte.
KAUFSITUATION
Nachdem der Palazzo seit Generationen im Besitzes der venezianischen Adelsfamilie Franchetti gestanden hatte, entschied sich Baron Alberto Franchetti nach seiner Scheidung und nachdem seine Kinder das Stadtpalais nicht übernehmen wollten, dazu das Anwesen zu verkaufen. Mit dem persönlichen Ziel, das Familienanwesen in gute Hände zu geben, überließ er den Palazzo Tron a San Beneto im Jahr 2018 schließlich an das European Heritage Project.
ANWESEN: ZAHLEN & FAKTEN
Mit Blick auf die berühmte Rialtobrücke und direktem Zugang zum Canal Grande, sowie mit mehreren Bootsliegeplätzen versehen, befindet sich der Palazzo Tron a San Beneto im Zentrum Venedigs auf der Insel San Marco. Der vierstöckige Stadtpalast, welcher auf einen Vorgängerbau aus dem 8. Jahrhundert aufgebaut und im 13. Jahrhundert neu errichtet sowie jeweils im 15., 16. und 19. Jahrhundert umgebaut und erweitert wurde, besitzt einschließlich des repräsentativen piano nobile eine Gesamtwohn- und Nutzfläche rund 1600 Quadratmetern. Das im Stil der venezianisch-byzantinischen Gotik gestaltete Gebäude liegt in unmittelbarer Nähe zum Museum Palazzo Fortuny, dem Opernhaus La Fenice und dem Teatro Goldoni.
GESCHICHTE
13. und 14. Jahrhundert: Wirtschaftlicher Aufschwung und orientalische Einflüsse
Anhand der Architektur des Palazzo Tron a San Beneto lässt sich vermuten, dass der Palast mit seinem Fundament, dem Erdgeschoss und dem ersten Stockwerk spätestens im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Bisweilen finden sich in den Wänden des mittlerweile stark abgesackten Erdgeschosses einige Ziegelsteine, die auf das spätrömische Reich zurückzuführen sind und in der Architektur Venedigs zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert Verwendung fanden. Von der Fassade entnommene Stichproben ergaben vor einigen Jahren, dass es sich bei dem Palazzo um eines der ältesten am Canal Grande gelegenen Objekte handelt.
Die Gotik kam in einer Zeit großen Wohlstands nach Venedig, als die Oberschicht begann, den Bau neuer Kirchen sowie opulenter Herrenhäuser selbst zu finanzieren. Durch den zunehmenden Palastbau wurde die venezianische Gotik zu einem eigenständigen Stil. Die Schöpfer dieses neuen Stils, der vom Dogenpalast beeinflusst wurde, kombinierten gotische, byzantinische und orientalische Elemente und erschufen somit eine völlig neue und einzigartige Herangehensweise an die hiesige Architektur.
Die Architekten des 14. Jahrhunderts bevorzugten die Verwendung komplexer Maßzeichnungen, ähnlich denen, die am Wahrzeichen venezianischer Gotik, dem Dogenpalast, vorzufinden sind. Die noch heute im Innenhof des Palazzo stehende 1319 aufgestellte Zisterne in Brunnenform, die das Wappen der Familie Tron trägt, belegt, dass das Gebäude spätestens zu dieser Zeit bereits Teil des Familienbesitzes war.
Nach den Eroberungen der Mongolen gelangten venezianische Händler und Händler rivalisierender Städte von etwa 1240 bis 1360 im Rahmen des sogenannten Pax Mongolica nach Persien und Zentralasien. Es gab kleine venezianische Kolonien von Kaufleuten in Alexandria sowie in Konstantinopel. Die Beziehungen Venedigs zum byzantinischen Reich waren noch enger und komplizierter, als zu islamisch beherrschten Gebieten und brachten viele Kriege, aber auch vielversprechende Wirtschafts- und Kulturverträge mit sich.
Während dieser Periode war die venezianische Wirtschaft somit stark mit dem Handel, als auch mit der islamischen Welt und dem byzantinischen Reich verbunden, was sich ebenfalls im architektonischen Stil der venezianischen Gotik widerspiegelt, einem Stil, der weltweit auf einzigartige Weise nordeuropäische Gotik mit byzantinischen und maurischen Charakteristika verbindet. Dieses stilistisch außergewöhnliche Potpourri ist noch heute, insbesondere an der Fassade des Palazzo Tron a San Beneto sichtbar.
15. Jahrhundert: Vom Aufstieg der Tron a San Beneto
Von Beginn an besetzten die Tron wichtige Positionen innerhalb der Republik Venedig und dienten mitunter als Prokuratoren, Senatoren und Botschafter. Die Familie gewann ab dem 15. Jahrhundert zunehmend als Seehändler und lokale Herrscher auf Korfu und Kreta an Bedeutung.
Die Herkunft der Familie ist unklar, Ahnenforscher des 18. Jahrhunderts vermuteten, dass sie ursprünglich aus Ancona stammte. Es wird außerdem angenommen, dass die Tron im 11. Jahrhundert die zerstörte Chiesa di San Boldo in Venedig erbauten. Weiterhin hatte man in Venedig im Jahr 1159 einen gewissen Marco „Truno“ bei San Stae verzeichnet. Jedenfalls zählte man die Tron zu den sogenannten case nuove, den adeligen, nicht apostolischen Familien Venedigs.
Mit der Ansiedlung nahe der Pfarrei San Beneto, die heute namensgebend für den Palazzo ist, entstand der Familienzweig der Tron a San Beneto. Eine große architektonische Veränderung folgte mit dem Umbau des Palazzos unter Nicolò Tron (1399-1473), dem 68. Dogen Venedigs und berühmtesten Namensträger der Familie, welcher den Herrensitz um zwei Stockwerke erweitern ließ.
Nicolò Tron war Sohn des Luca Tron und hatte mindestens drei Brüder. Verheiratet war er mit Aliodea Morosini (†1478), welche man im Volksmund ‚Dea Moro‘, die schwarze Göttin, nannte. Dea wurde vom Chronisten des Dogenpalasts als die größte Schönheit des Jahrhunderts beschrieben. Legenden besagen, dass ihre Schönheit, aufgrund des großen Schönheitskultes in Venedig zu jener Zeit, für die Wahl ihres Mannes zum Dogen von großer Bedeutung war. Als Tochter des Silvestro Morosini, stammte sie zudem aus einer älteren und mächtigeren Familie als ihr Gatte Nicoló. Ihre Krönung zur Dogaressa wurde als prächtigste in der Geschichte Venedigs beschrieben. Aufgrund ihrer Bescheidenheit zog sie sich nach dem Tode ihres Mannes in ein Kloster zurück und lehnte die ihrem Stande entsprechende Staatsbestattung ab.
Dea und Nicolò Tron hatten zwei Söhne, Filippo und Giovanni. Letzteren ereilte ein schreckliches Schicksal, als er 1471 in türkischer Gefangenschaft gevierteilt wurde.
Nicolò Tron war als Kaufmann in kürzester Zeit zu großem Reichtum gekommen. Im Dienste Venedigs hat er mehrere Ämter bekleidet. So war er Consigliere in Marineangelegenheiten und Botschafter unter Papst Pius II (1405-1464). 1466 wurde er zum Prokurator von San Marco erhoben. Tron hatte sich in der Dogenwahl von 1471 gegen seine späteren Nachfolger Pietro Mocenigo (1405-1476) sowie den 71. Dogen Venedigs Andrea Vendramin (1393-1478) durchgesetzt. Während seines Dogats wurde die Herrschaft Venedigs über Zypern gefestigt und Streitigkeiten mit den Türken durch ein Bündnis mit dem iranischen Machthaber Ulsan Hassan Beg (1423-1478) eingeschränkt. Durch seine geschickte Politik sicherte er der Republik eine Zeit des Friedens. Allerdings stieg die Verschuldung der Stadt unter Trons Amtszeit ebenfalls stark an, unter anderem wegen des Ausbaus des Arsenals, das seit dem 12. Jahrhundert als Schiffswerft, Zeughaus und Flottenbasis der Republik Venedig gedient hatte.
Tron reformierte darüber hinaus das venezianische Münzsystem. Er schuf eine neue Münze, den Tron, der auf der Rückseite den Kopf des Dogen in der Art antiker Münzen im Profil zeigte, und der damit gegen venezianische Gepflogenheiten, in denen jede Art von Personenkult im Zusammenhang mit der Republik abgelehnt wurde, verstieß. Nach seinem Tod wurde die Münze aus dem Verkehr gezogen. Das Grabmal für Nicolò Tron wurde von seinem Sohn Filippo im Chor der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari im Stadtteil San Polo errichtet. Der Entwurf und die Bauleitung wird dem Bildhauer und Architekten Antonio Rizzo (1430-1499) zugeschrieben. Finanziert wurde das Denkmal, so besagt es seine Inschrift, mit der Beute Trons aus den Türkenkriegen.
17.-18. Jahrhundert: Förderung der Schönen Künste, das Aussterben der Tron und die Skandale der Caterina Dolfin
Im 17. Jahrhundert besetzten die Tron immer noch wichtige Posten innerhalb der Republik Venedig, doch zunehmend begannen sie sich der Kulturförderung zu widmen. So gründeten die Brüder Francesco und Ettore Tron, ebenfalls aus dem Familienzweig der San Beneto, im Jahre 1637 das Teatro San Cassiano, das weltweit erste öffentliche Theater, das nicht einzig für den Adel bestimmt war. Dies ermöglichte gewöhnlichen Bürgern, sofern sie sich den Eintritt leisten konnten, zum ersten Mal die Oper zu genießen, während man dem Adel die populäre Commedia dell’arte näherbrachte.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts trat der Diplomat, Politiker und Agrarwissenschaftler Nicoló Tron (1685–1771), benannt nach seinem Vorfahren, das Erbe an und vermachte den Palast seinem ältesten Sohn Andrea Tron (1712-1785). Andrea war Prokurator San Marcos, Botschafter zu Wien, Paris und Rom und einer der beiden Hauptkandidaten bei der Dogenwahl im Jahre 1779, verlor die Wahl aber aufgrund der zahlreichen Skandale um seine Ehefrau Caterina Dolfin (1736-1793).
Berühmt berüchtigt für ihre Ansichten, ihr Wirken sowie ihre Vergangenheit, kann man Caterina, historisch gesehen, als die bekanntere, wenn nicht wichtigere Persönlichkeit innerhalb dieser Ehe betrachten.
Die Familie Dolfin gehörte seit Jahrhunderten zu einem der wichtigsten venezianischen Patriziergeschlechter, darüber hinaus zählte man sie zu den zwölf sogenannten „apostolischen“ Familien Venedigs, da sie einen Zweig der Familie Gradenigo darstellt.
Caterina war die Tochter des Edelmanns Antonio Giovanni Dolfin und der Edelfrau Donata Salamon, die ebenfalls aus einer der ältesten venezianischen Adelsfamilien stammt. Caterinas Vater hatte zu Lebzeiten das Familienvermögen verloren und mit seinem Tod im Jahr 1753 seiner Frau und seiner Tochter hohe Schulden hinterlassen.
1755 ging die junge Caterina eine arrangierte Ehe mit Marcantonio Tiepolo ein, einem Mitglied einer weiteren einflussreichen Adelsfamilie, die die finanziellen Mittel besaß, die Dolfin von ihren Schulden zu befreien. Über die Hochzeit von Caterina und Marcantonio wurde in der venezianischen Gesellschaft viel spekuliert. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Caterina 1756, nur wenige Monate nach ihrer Heirat, eine Liebesbeziehung mit Andrea Tron einging. Sehr bald nach Beginn der Affäre reichte Caterina die Scheidung ein, die Angelegenheit wurde zum Gegenstand eines großen Skandals. Nach Jahren des Rechtsstreits wurde die Scheidung 1772 bewilligt, woraufhin Caterina Andrea Tron heiratete, der von diesem Zeitpunkt an seine Ehe dazu nutzte, in die höchsten Kreise der venezianischen Gesellschaft einzutreten, wodurch er letztendlich das prestigeträchtige Amt des „Prokurators von San Marco“ besetzen konnte.
Im Jahr 1757 debütierte Caterina als Schriftstellerin unter einem Pseudonym. Ihr berühmtestes Werk war eine Sammlung von Sonetten, die von ihrem Vater inspiriert und zwischen 1767 und 1768 veröffentlicht wurden. Sie stellte den Mittelpunkt eines Kreises von Intellektuellen dar und unterhielt einen angesehenen literarischen Salon. Im Jahr 1772 wurde sie vor der venezianischen Inquisition vorgeladen, da einige der Werke, die sich in ihrer Bibliothek befanden, aufklärerisches Gedankengut enthielten.
Caterina Dolfin hat jedoch nicht nur ihre Poesie, Unterhaltungskunst und intellektuelle Relevanz genutzt, um die venezianische Gesellschaft zu schockieren. So sagte man ihr mitunter zahlreiche Affären nach. Einer ihrer bekanntesten Liebhaber war wahrscheinlich der acht Jahre jüngere Herzog von San Gabrio Gian Galeazzo Serbelloni (1744-1802). Nach ihrer Korrespondenz, die bis heute erhalten ist, könnte die Affäre 1773 begonnen haben.
1778 wurde Andrea Tron, Caterinas Ehemann, zum Senator gewählt. Er verlor jedoch die Dogenwahl von 1779, obwohl er einer der beiden Hauptkandidaten war. Dies ist zum Teil auf die damaligen Skandale um Caterina zurückzuführen, ebenso wie auf ihre Beteiligung an der “Gratarolo-Affäre”, benannt nach dem venezianischen Außenminister Antonio Gratarolo.
Im Jahr 1775 enthüllte ein Theaterstück, das vermutlich von Caterina in Auftrag gegeben wurde, Gratarolos politische Intrigen und private Affären. Im selben Jahr, in dem sich Andrea Tron für das Dogenamt beworben hatte, beantwortete Gratarolo die Beleidigung mit einem Rachestück, welches Caterina Dolfin und ihren gesellschaftlichen Kreis karikierte, ihre Liebesbeziehungen entlarvte und ihren Namen und ihr Ansehen öffentlich beschmutzte. Das Stück zerstörte somit Andrea Trons Chance, Doge zu werden, obwohl sich herausstellte, dass der siegreiche Kandidat eine Ehefrau hatte, die als Bürgerliche und ehemalige Seiltänzerin für den Titel der Dogaressa noch ungeeigneter war.
1785 wurde Caterina Dolfin Witwe. Sie hatte ein beträchtliches Vermögen geerbt, geriet jedoch in einen Streit mit ihren früheren Schwiegereltern. 1788 zog sie endgültig vom Palazzo Tron in ihren Zweitwohnsitz in Padua. In ihren letzten Jahren arbeitete sie an einem Projekt zur Reform der Frauenbildung, welches jedoch nie abgeschlossen wurde.
Ende des 18. Jahrhunderts und das 19. Jahrhundert: Eine Zeit der lebhaften Besitzerwechsel
Als Ende des 18. Jahrhunderts mit Chiara Tron, die Zeit ihres Lebens kinderlos blieb, der Zweig der Tron a San Beneto ausstarb, ging das Anwesen durch die Ehe Chiaras in direkter Erbfolge an die Patrizierfamilie Donà Dalle Rose. Allerdings kam es in diesem Zuge zu Erbstreitigkeiten, da der Zweig der Tron a San Stae den Palazzo für sich beanspruchte. Allerdings konnten sich die Donà Dalle Rose vor Gericht gegen die Tron a San Stae durchsetzen.
Daraufhin verkaufte man, mit Ausnahme des 2. Stockwerks, den Palazzo an die Kaufmannsfamilie Vivante. Die Familie war seit jeher wohlhabend, doch durch die Auflösung der Republik Venedig im Jahr 1787 ereilte die Stadt eine schwere Wirtschaftskrise. Nur einem Zweig der Vivantes, den beiden Söhnen Lazzaro, Mandolin, genannt Menachem, und Sabbato, gelang es, die lange Krise finanziell zu überwinden. Einer der Faktoren für diesen Erfolg war die Heiratspolitik der Familie, die sich einer weiteren wichtigen jüdischen Familie von hohem sozioökonomischem Niveau, den Treves de Bonfili, anschloss. So heirateten die beiden Söhne zwei der Töchter des Barons Giuseppe Treves de Bonfili (1794-1866). Beide Familien waren gleichermaßen im See- und Versicherungssektor tätig. Nach dem Tod seines Bruders führte Sabbato die Geschäfte weiter und gründete 1832 den venezianischen Standort der Generali-Versicherung Venedig, damals Assicurazioni Generali Austro-Italiche. Im Jahr 1848, ein Jahr vor seinem Tod, verkaufte er seinen Anteil an der Versicherungsgesellschaft an Spiridione Papadopoli (1799-1859).
Zwischenzeitlich erwarb die italienische Zentralbank, die Banca d’Italia, den Palazzo, mit dem Ziel, hier ihren Sitz in Venedig zu etablieren, jedoch verkaufte man das Anwesen Ende des 19. Jahrhunderts an die aus Padua stammende Familie Rocca weiter. Diese hatte das Stadtpalais nach Jahrhunderten zum ersten Mal in großem Umfang restaurieren lassen. Weiterhin entstand in dieser Zeit der heute in sich geschlossene Corte Tron, der Innenhof des Palazzos, einschließlich des Aufzugs.
Ende des 19. Jahrhunderts bis heute: Von Expeditionen, Berühmten Gästen und Enten im Hause Franchetti
Die Linie der Vivante starb im 19. Jahrhundert aus und so ging der Palazzo Tron a San Beneto an die Familie Franchetti über. Die Franchetti waren eine seit vielen Generationen in Venedig ansässige jüdische Familie, die seit dem 18. Jahrhundert zu den reichsten Familien im mediterranen Raum zählte. Im Zuge der Gleichberechtigungspolitik im 19. Jahrhundert wurde die Familie weiterhin in den Adelsstand erhoben. Durch die Heirat des Baron Raimondo Franchetti mit Louise Sarah Rothschild (1834-1924), aus dem Wiener Hause Rothschild, stieg das Ansehen der Familie um ein Weiteres. Aus der Ehe ging der Komponist Alberto Franchetti (1860-1942) hervor. Sein Sohn Raimondo Franchetti (1889-1935) sollte als berühmtestes Familienmitglied in Erinnerung bleiben. Bis zu seinem Tod bei einem Flugzeugabsturz in der ägyptischen Wüste machte sich Raimondo Franchetti als Entdecker mit seinen Ethnologie- und Naturstudien einen Namen. Besondere Popularität erlangte er dadurch, dass seine Expeditionen nach Nordamerika, Malaysia, Annam, heute ein Teil Vietnams, Uganda, Kenia, Äthiopien und in den Sudan fotografisch und filmisch festgehalten wurden. Ebenfalls dokumentierte er die Xinhai-Revolution (1911/12) vom Sturz des chinesischen Kaisers bis hin zur Gründung der Republik China.
Im Jahre 1920 heiratete er die Gräfin Bianca Moceniga Rocca (1901-1958), deren Familie der Palazzo Tron a San Beneto zu dem Zeitpunkt gehörte. Durch die Heirat ging der ehemalige Familienbesitz der Baronen Franchetti wieder an sie zurück.
Als Zeugnis der Liebe für ferne Orte und Kulturen gaben Raimondo und Bianca Franchetti ihren fünf Kindern die besonders exotisch klingenden Namen Lauretana, Simba, Lorian, Afdera und Nanuk. Nach dem Tode Raimondo Franchettis etablierten seine Kinder den Palazzo Tron a San Beneto zu einem bewegten gesellschaftlichen Raum. So residierten hier zahlreiche Größen des europäischen und amerikanischen Films, wie etwa Sophia Loren (*1934), als sie 1955 beim Filmfest Venedig als Gast geladen war. Ein Foto, das auf dem Balkon des Palazzos entstand und die italienische Filmdiva in einer ihrer berühmtesten Posen zeigt, hält dies noch heute fest. Ebenfalls war der amerikanische Romanautor Ernest Hemingway (1899-1961) in den 1940er Jahren ein häufig gesehener Gast im Palazzo Tron a San Beneto und wurde darüber hinaus auch ein guter Freund des ehemaligen Palazzo-Besitzers Baron Nanuk Franchetti. So wurde es für Franchetti und Hemingway zu einer jährlichen Tradition, nach dem Sommer in Venedig in Cortina d’Ampezzo gemeinsam der herbstlichen Entenjagd nachzugehen. Franchetti diente sogar als Vorlage für die literarische Figur des Baron Alvarito in Hemingways 1950 erschienenen Roman „Über den Fluss und in die Wälder”.
Insbesondere Afdera Franchetti (*1931) verkehrte bereits früh mit dem britischen Hochadel und dem gesamten Jet-Set Europas. Ihre erste Ehe mit Howard Taylor (1929–2017), dem älteren Bruder der Filmikone Elizabeth Taylor (1932-2011) eröffnete ihr die Tür in die Kreise berühmter Hollywood-Größen. So lernte sie etwa Audrey Hepburn (1929-1993) in den 1950er Jahren kennen. Hepburn stellte sie wiederum dem 26 Jahre älteren Henry Fonda (1905-1982), einem der bis heute bedeutendsten Schauspieler der Filmgeschichte, vor. Afdera heiratete Fonda im Jahr 1957, allerdings ließen sich die beiden bereits 1961 scheiden, da der Baronesse der Altersunterschied zu groß war.
WISSENSWERTES & KURIOSES
Chiesa di San Beneto
Die Kirche San Benedetto, im Volksmund auch San Beneto genannt, war namensgebend für den San-Beneto-Zweig der Familie Tron und liegt in unmittelbarer Nähe zum ebenfalls nach der Kirche benannten Palazzo. Der Sakralbau existiert bereits seit 1013 und fiel zu Beginn in die Zuständigkeit des Benediktinerklosters San Michele di Brondolo bei Chioggia. 1435 wurde das Gebäude vom Bischof von Castello in den Rang eines Stifts befördert. Ursprünglich von bescheidener Größe und im romanischen Stil erbaut, war die Kirche nach Osten ausgerichtet und bestand aus drei Schiffen mit einem Holzdach.
Die Umbauarbeiten im 17. Jahrhundert änderten die ursprüngliche Ausrichtung und verlegten sie nach Norden, sodass sie von da an ein einziges Kirchenschiff bildeten.
Die gegenwärtige barocke Gestaltung geht auf den Wiederaufbau im Jahre 1619 zurück, der vom Patriarchen Venedigs, Giovanni Tiepolo (1570-1631), in Auftrag gegeben wurde, da das Gebäude, Dokumenten zufolge, zum damaligen Zeitpunkt stark beschädigt und einsturzgefährdet war. Die Umweihung der Kirche zu Ehren des Heiligen Benedikts erfolgte im Jahre 1695.
Im Inneren der Kirche befinden sich Kunstwerke von bekannten, dem italienischen Barock zuzuordnenden Künstlern wie dem Florentiner Sebastiano Mazzoni (1611-1678), dem aus Genua stammenden Bernardo Strozzi (1518-1644) und dem gebürtigen Venezianer Giovanni Battista Tiepolo (1696-1779).
Die Fassade ist durch Pilaster in drei Teile unterteilt, die auf einfachen Sockeln ruhen und mit Kapitellen enden. Auf diesen ruht wiederum ein Gesims, das ein Gebälk trägt, in dessen Fries die Inschrift „D. BENEDICTO“ eingraviert ist. Unmittelbar darunter befindet sich ein diokletianisches Fenster. Zwei weitere kleine Bogenfenster, die sich auf mittlerer Höhe der Fassade befinden, flankieren ein Portal mit einem von einem Torhaus getragenen dreieckigen Tympanon.
Einst befand sich ein im Vergleich zum Gebäude hoher, im romantischen Stil erbauter Glockenturm im Westen, der ebenfalls in die Fassade integriert und vom Hof des Palazzo Tron aus mitsamt des konischen Turmdachs zu sehen war.
Der im 17. Jahrhundert erbaute Glockenturm, der von deutlich bescheidenerer Größe ist, befindet sich nun im Nordwesten und wird von einem Zwiebeldach gekrönt.
Mittlerweile wurde San Beneto von einer eigenständigen Pfarrei zum Vikariat der Kirche von San Luca degradiert und ist derzeit für den Gottesdienst geschlossen.
Vom libertinen Conte Giuseppe Giacomo Albrizzi und der „Hebe“ Canovas
1792 spaltete sich ein gewisser Giuseppe Emanuele (†1841) von seiner jüdischen Familie ab, da er auf sein Recht bestand, als selbständiger Unternehmer zu handeln. Bereits in jungen Jahren galt er als ein eher nonkonformistischer Charakter. Gemäß etlicher Anzeigen wurde gegen Giuseppe Emanuele Zeit seines Lebens durch die Inquisitoren der Republik ermittelt. Zusammen mit einem christlichen Bediensteten lebte er im jüdischen Ghetto Venedigs und verwahrte dort Bücher von Voltaire (1694-1778), Werke Jean-Jacque Rousseaus (1712-1778) und Texte des libertinen, wenn nicht gar revolutionär gesinnten Dichters und ehemaligen Senatoren Venedigs Giorgio Baffo (1694-1768) in seiner Bibliothek. Schriftstücke, die damals als „gefährlich“ galten.
Zwei Jahre nach der „Auflösung der Brüderlichkeit“, das heißt seiner Familienzugehörigkeit, trat er zum Katholizismus über. Er wurde zu einem späteren Zeitpunkt geadelt und nannte sich von da an Conte Giuseppe Giacomo Albrizzi. Durch sein beträchtliches Vermögen war er in der Lage, eines der Stockwerke des Palazzo Tron a San Beneto zu kaufen. Zwar besaßen die Juden Venedigs seit Jahrhunderten bei weitem mehr Freiheiten, insbesondere wirtschaftlich betrachtet, als in anderen Staaten und Fürstentümern Europas und genossen darüber hinaus einen tatsächlichen, von der Inquisition Venedigs gewährleisteten Schutz vor Übergriffen, dennoch war es ihnen zu keinem Zeitpunkt möglich, Immobilien außerhalb des im Sestiere Cannaregio gelegenen Ghettos zu erwerben. Dies änderte sich jedoch mit der Aufhebung des Ghettos unter Napoleon Bonaparte (1769-1821).
Mit der Eroberung Venedigs durch die napoleonischen Truppen wurden jegliche Juden diskriminierende Gesetze aufgehoben, die Tore des Ghettos wurden 1797 verbrannt und die Residenzpflicht der bis dahin im Ghetto lebenden Bevölkerung aufgehoben. Jedoch erhielten die Juden alle übrigen Rechte erst mit der Gleichstellung von 1848, und Konvertiten, wie etwa Giuseppe Giacomo Albrizzi bereits 1797.
Der neue Hausherr des Palazzos besaß einige Werke des berühmten klassizistischen Bildhauers Antonio Canova (1757-1822), die in einem der Salons des piano nobile zum Canal Grande ausgestellt wurden. Seine Sammlung fand viele Bewunderer, darunter auch berühmte Besucher, wie Kaiser Franz Joseph II. von Österreich (1768-1835) oder Ludwig I. von Bayern (1786-1868). Im Jahr 1830 musste er aufgrund finanzieller Schwierigkeiten das wertvollste Stück der Sammlung, die Hebe Canovas, für die ihn alle zu beneiden schienen, an den König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) verkaufen.
Über die damals, aufgrund ihrer perfekten Schönheit, fast sagenumwoben Statue, die Hebe, die die Göttin der Jugend darstellte, schrieb der deutsche Dichter Johann Gottfried Seume (1763-1810) in seinem berühmtesten Werk Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802:
Ich stand von süßem Rausche trunken,
Wie in ein Meer von Seligkeit versunken,
Mit Ehrfurcht vor der Göttin da,
Die hold auf mich herunter sah,
Und meine Seele war in Funken:
Hier thronte mehr als Amathusia.
Ich war der Sterblichkeit entflogen,
Und meine Feuerblicke sogen
Aus ihrem Blick Ambrosia
Und Nektar in dem Göttersaale;
Ich wußte nicht, wie mir geschah:
Und stände Zeus mit seinem Blitze nah,
Vermessen griff ich nach der Schaale,
Mit welcher sie die Gottheit reicht,
Und wagte taumelnd jetzt vielleicht
Selbst dem Alciden Hohn zu sagen,
Und mit dem Gott um seinen Lohn zu schlagen
ARCHITEKTUR
Besondere Bedingungen & Byzantinischer Charme
Entgegen dem allgemeinen Irrglauben, die Bauwerke Venedigs stünden auf wackeligen Beinen, bestätigt das Fundament des Palazzo Tron a San Beneto einen Fakt, über den sich zumindest die einheimische Bevölkerung im Klaren ist. Die Fundamente sind sehr solide und je älter das Gebäude, desto fester stemmen sich die Pfahlkonstruktionen aus Eichen- oder Ulmenholz, Ziegelsteinen und solidem pietra d’istria in den sandig, schlammigen Alluvialboden.
Aus der kroatischen Region Istrien stammend, ist pietra d’istria seit dem 13. Jahrhundert das in Venedig mit Abstand meist genutzte Baumaterial. Zum einen verleiht es den typisch weißen Fassaden, wie auch am Palazzo Tron a San Beneto erkennbar, ihr charakteristisches Aussehen. Zum anderen handelt es sich hierbei um ein rein äußerlich dem Marmor ähnelndes weißes Kalkgestein, das aber wesentlich dichter, poröser, flexibler, säureunempfindlicher und mit einer Kompressionsdichte von 1350 Kilogramm pro Quadratzentimeter äußerst stark belastbar ist.
Dennoch hat das in den Grund der Lagune sinkende Gewicht zur Folge, dass die Gebäudekonstruktionen im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls abgesackt sind, was auch an der Deckenhöhe des ersten Stockwerks des Palazzo Tron a San Beneto gut ersichtlich ist. Zum Vergleich: während die Deckenhöhe in den oberen Stockwerken bei jeweils 2,90 m liegt, ist sie im Erdgeschoss auf 2,10 m abgesunken. Heute vornehmlich als Bootshaus genutzt, befanden sich im Erdgeschoss ursprünglich Geschäfts- und Lagerräume. Diese Räumlichkeit nannte man ursprünglich androne. Das Privatleben spielte sich dagegen in den oberen Stockwerken ab. Darüber hinaus weist das Erdgeschoss nur eine geringe räumliche Unterteilung auf. Ein Zustand, der bereits zur ursprünglichen Errichtung des Gebäudes gegeben war, da das wiederkehrende Hochwasser, oder aqua alta, Einschränkungen hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten gebot und mehr Wände das Risiko der Förderung von langanhaltenden Wasserschäden bedeutet hätten.
Insgesamt ist der Palazzo Tron a San Beneto, der im 13. Jahrhundert errichtet und im 15. Jahrhundert von Nicolò Tron erstmalig umgebaut wurde, archetypisch für die Architektur der venezianisch-byzantinischen Gotik. Das dritte Stockwerk wurde im 16. Jahrhundert hinzugefügt und nach den Lehren Sebastiano Serlios (1475-1554), einem der fortschrittlichsten Architekten und wichtigsten Architekturtheoretiker seiner Zeit, gestaltet, weshalb es im Wesentlichen schlichter ist, als die darunterlegenden Stockwerke. Es fällt besonders durch die Verwendung einer zentralen Serliana auf, die eine Abwandlung des Triumphbogenschemas darstellt. Es handelt sich hierbei um ein mit einem Rundbogen überwölbtes Portal, das seitlich von schmaleren und niedrigeren Rechtecköffnungen flankiert ist. Mit seiner Dreiteilung erinnert es auch an ein Triptychon, welches wiederum von zwei kielbogenförmigen Fenstern zur jeweils rechten und linken Seite umrahmt wird.
Die flachen Decken sowie das abgeflachte römische Dach, gestützt durch verkleidete Holzbalken, sind ein typisch venezianisches Element. Man präferierte sie im Vergleich zu anderorts beliebten Deckengewölben, da sie den Vibrationen des schwingenden Fundaments besser standhielten und allgemein das Risiko von Rissen in Decken und Wänden wesentlich minimierten.
Weiterhin besticht das denkmalgeschützte Gebäude mit seiner Ausrichtung, die typisch für venezianische Stadtpalais ist und sich grundlegend in seiner Bauart von den Palazzi in anderen italienischen Städten unterscheidet. So war etwa Verteidigung oder die Errichtung von Schutzwällen nie ein Thema in der venezianischen Architektur, weshalb auch das Anwesen der Tron a San Beneto einen direkten Zugang zu Straßen und dem Canal Grande hat. Ebenfalls war der aus dem Jahr 1319 stammende Wasserbrunnen, der im Hof des Anwesens steht, im Mittelalter öffentlich zugänglich, als der Palazzo noch nicht von einer Mauer umgeben war. Heute weist der Brunnen erhebliche Gebrauchsspuren auf, die darauf schließen lassen, dass damals täglich Hunderte Liter Wasser befördert wurden. Jedoch handelt es sich hierbei nur scheinbar um einen Brunnen. Vielmehr ist es eine verkleidete Zisterne, die abgeschnitten vom salzigen Grundwasser, Regenwasser von Dach und Hof über Rinnsale zu einem Sandfiltersystem und schließlich zur eigentlichen Zisterne führte.
Heute ist das Anwesen durch eine Ende des 19. Jahrhunderts von der Familie Rocca errichteten Mauer abgetrennt und über ein Hintertor zur Straße hin begehbar. Zwei Familienwappen der an der zur Straße gelegenen Mauer zum Hofeingang kennzeichnen noch heute die Herrschaft der Familien Tron und Rocca über das Anwesen.
Der bereits früh dicht besiedelte Stadtkern um San Marco bewog die Venezianer dazu, wie am Beispiel des Palazzo sichtbar wird, hoch zu bauen, da Grundstücke selten und rar waren und man versuchte, den vorhandenen Platz bestmöglich zu nutzen. Licht konnte häufig nur von der Fassade aus einfallen, weshalb Palazzi in der Regel zahlreiche größere Fenster aufweisen, als Paläste an anderer Stelle. Das Tor, beziehungsweise portico, zur Kanalseite hin ermöglichte es, Boote und Gondeln vor Ort einfach und sicher zu be- und entladen. Eine wesentliche Veränderung, die im 15. Jahrhundert vollzogen wurde, war die Änderung der Proportionen des zentralen Saals im piano nobile. Diese Halle, auch portego genannt, entwickelte sich zu einem langen Durchgang. Der Kern des piano nobile ist in T-Form zentral ausgerichtet, mit dem portego von der Hofseite beginnend und in drei größere Salons zur Kanalseite hin mündend, welche für gesellschaftliche und festliche Anlässe genutzt wurden.
Die kielbogenförmigen Fenster des Palazzos markieren den Beginn einer stilistischen Entwicklung des venezianisch-gotischen Bogens, welcher das mit Abstand typischste Merkmal venezianischer Architektur darstellt. Die Rundbögen, mit Umrissen die einem auf den Kopf gestellten Schiffskiel gleichen und am äußeren Rand punktuell aussprießen. Geschwungenere Stilverläufe spiegeln sich auch in der Fassade der zu unterschiedlichen Zeiten entstandenen Stockwerke wider. Im Erdgeschoss, dem ältesten Teil des Gebäudes, sind lediglich klassisch-gotische Rundbogenportale sichtbar, tragende Säulen fehlen gänzlich.
Doch erfüllen die verspielten Kielbögen nicht einzig einen dekorativen Zweck. Während in Nordeuropa Maßwerke lediglich Kirchenfenster trugen, stellen venezianische Maßwerke einen zusätzlichen statischen Zweck dar und tragen ebenfalls das Gewicht der stützenden Außenwände. Daher spielt das relative Gewicht, das die Maßverkörperungen tragen, auf die relative Schwerelosigkeit des gesamten Gebäudes an. Dies und der damit verbundene reduzierte Einsatz von tragenden Wänden verleiht dem im venezianisch-gotischen Baustil gestalteten Palazzo Leichtigkeit und Anmut in seiner Struktur. Die venezianische Gotik, wie sie hier anzutreffen ist, war zwar in Stil und Gestaltung weitaus komplizierter als frühere in Venedig populäre Bautypen, erlaubte jedoch niemals überflüssiges Gewicht oder Überproportioniertheit. Weiterhin sollte so leicht, hoch und platzsparend wie nur möglich gebaut werden, da jeder Zentimeter Land aufgrund der durch die Stadt verlaufenden Kanäle kostbar war.
Insgesamt spiegelt sich der Einfluss der maurischen Architektur auf die venezianische deutlich in den ornamental gestalten Fenstern und den rein dekorativen Zinnen an der Dachlinie wider. Ein weiterer Einfluss ist der byzantinisch und kaiserlich-römische. Dieser lässt sich gut an den farbigen, aus unterschiedlichen Gesteinen gestalteten Säulen an der Außenwand im ersten und zweiten Stock der Hausfassade erkennen. Interessanterweise ist jede Säule in ihrer Form, Ornamentierung und Farbe anders gestaltet, was darauf zurückzuführen ist, dass venezianische Händler und Seeleute etliche Säulen aus dem Orient und Mittelmeerraum in die Republik zurückgebracht hatten, die sie zuvor zur Stabilisierung beladener Schiffe benötigten, für diese aber keine weitere Verwendung hatten. Das prominente Beispiel einer Säulenfassade findet man im Falle der zum Markusplatz zugewandten Westfront des Markusdoms, welche ebenfalls im 13. Jahrhundert entstand.
STRUKTURELLER ZUSTAND ZUR ZEIT DER AKQUISITION
Zur Zeit der Akquisition durch das European Heritage Project im Jahr 2018 bedurfte die Fassade des Palazzo einer umfassenden Instandsetzung, ebenfalls waren die gesamte Elektrik und Wasserversorgung renovierungsbedürftig. Priorität hatte jedoch von Beginn an die Restaurierung diversen Kunsthandwerks, wie etwa Stuckarbeiten an Decken und Wänden, dem aufwendig gestalteten Terrazzo-Boden oder vereinzelt dekorativ bemalten Kassettendecken. Ein besonderes Problem stellte ein Deckendurchbruch im piano nobile dar, da der Einsturz der gesamten Decke drohte, sowie die maroden Bereiche im stark abgesenkten und salzwassergeschädigten Erdgeschoss.
RESTAURIERUNGSMAßNAHMEN
Seit der Akquisition des Palazzo Tron a San Beneto im Jahr 2018 hat das European Heritage Project das venezianische Stadtpalais mit großem Aufwand renoviert. Während der Arbeiten stellte sich besonders die stilistische Vielfalt, die von den unterschiedlichen Phasen venezianischer Gotik zeugt, gleichermaßen als Herausforderung wie Bereicherung dar. Die Pfahlbauweise sowie die Verwendung lokalspezifischer Materialien, Techniken und die Anpassung an das Lagunenklima gewähren dem European Heritage Project hierbei ganz neue Einblicke im Bereich Denkmalschutz. 2020 konnten die Arbeiten schließlich abgeschlossen werden. Die Fassade ist komplett saniert, Gärten und Verkehrsflächen überholt und neu bestückt sowie das gesamte Interieur in Absprache mit der Bene Culturali renoviert. Lediglich die Bootsliegeplätze und der Steg müssen noch installiert werden.
Statik
Die Statik, der Dachstuhl und die Balkenkonstruktionen im Palazzo Tron befanden sich in einem soliden Zustand, dennoch gab es einige Schwächen, die behoben wurden. Einzelne nichttragende verputzte Holzwände wurden entkleidet, begradigt und neu verputzt. Teilweise schwer verbogene, offengelegte und tragende Holzbalken im Erdgeschoss wurden statisch begradigt und durch zusätzlich stützende Träger gesichert.
Einen besonders bedauerlichen Anblick offenbarte ein Deckendurchbruch in einem Salon des piano nobile. Die betreffende Decke wurde rekonstruiert, da ihr vollständiger Einsturz drohte. Der Durchbruch war durch eine zu hohe Belastung entstanden, da in den 1980er Jahren im oberen Stockwerk stellenweise zusätzlich Beton verlegt wurde; ein enormes Gewicht, für das die Deckenkonstruktion des denkmalgeschützten Gebäudes nicht ausgelegt war.
Dach und Fach
Die Dachkonstruktion des Palazzo war zur Zeit der Akquisition durch das European Heritage Project in einem einwandfreien Zustand, jedoch musste die Dachhaut weitestgehend erneuert werden. Hierbei entschied man sich dafür, die funktionstüchtigen Dachziegel weitestgehend abzutragen, zu reinigen und wieder neu zu verlegen, wobei der Originalzustand vollständig wiederhergestellt werden konnte.
Elektrik, Wasserleitungen und Sanitäranlagen
In sämtlichen Apartments werden die Stromleitungen, Sanitäranlagen und Wasserrohre nun erstmalig seit den 1970er Jahren vollständig neu verlegt, um das Wohnen im Gebäude sicherer zu machen und den neuesten Standards in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gerecht zu werden.
Rekonstruktion
Böden
Die in den gesamten Wohnräumen vorhandenen steinernen Terrazzo-Fußböden aus dem 18. Jahrhundert wurden als Originalbelag beibehalten, wobei beschädigte Elemente restauriert und fehlende ergänzt wurden. Die Mehrheit der anthrazitfarbenen, hochbelastbaren Granitsplittböden in den kleineren Räumen und Fluren konnten mit geringem Aufwand restauriert, Vergrauungen beseitigt werden. Eine besondere Herausforderung bot sich jedoch bei den Originalfußböden in den großen Salons des piano nobile, bei denen es sich um fugenlos gegossene Ortsterrazzi handelt. In diesem Falle mussten selbst stark beschädigte und brüchige Teile vollständig und in aufwendigem Maße restauriert werden, da eine Rekonstruktion zu keinem Zeitpunkt in Frage kam. Bei diesem besonderen ‚terrazzo alla veneziana‘mit seinen aufwendigen Musterungen aus Marmor, Kalkstein, Dolomit und tonerdehaltigen Betongemischen in changierenden Farbgebungen von Beige-, Ocker- und Jadetönen, sollte seine ursprüngliche Schönheit in jedem Falle erhalten bleiben.
Türen, Fenster, Zugang zum Wasser
Die flamboyant ornamentierten, gusseisernen Gitterfenster- und Tore im Erdgeschoss sind witterungsbedingt starkem Rost ausgesetzt. Zum Teil wird man den Rost durch Schleifen, Abbürsten und eine Hochdruckreinigung entfernen können, allerdings sind die Korrosionsschäden in einigen Fällen so fortgeschritten und das Gusseisen derartig spröde und porös, dass einzelne Elemente vollständig ersetzt werden müssen. Für notwendige Rekonstruktionen wird man einen erfahrenen Schmied, der nach Originalmethoden aus dem 18. Jahrhundert arbeitet, beauftragen. In den oberen Stockwerken werden die Fenster sowie Galerien zum Hof in anspruchsvoller Detailarbeit restauriert. Die aus diversen Epochen stammenden Holzfensterrahmen, Fensterläden, Gläser, wie auch Bleiruten, konnten vollständig beibehalten werden, wurden allerdings zu Isolationszwecken mit einer Doppelverglasung versehen. Sämtliche Türen, wie auch die durchgängig im piano nobile vorhandenen Flügeltüren aus Wurzelholz, wurden ausgebaut, geschliffen und poliert, mit neuen Scharnieren versehen, versetzt und justiert.
Zusätzlich soll die mittlerweile nicht länger vorhandene Steganlage zum Canal Grande, welche über die letzten Jahrzehnte marode wurde und aufgrund des starken Zerfalls vom Vorbesitzer entfernt wurde, im weiteren Verlauf der Restaurierungsmaßnahmen rekonstruiert werden, um wieder einen sicheren Zugang zum Wasser zu ermöglichen und den Transport zum Palazzo zu erleichtern.
Mauerwerk & Fassade
Als eine der ersten Restaurierungsmaßnahmen wurde die ausschließlich aus weißem pietra d’Istria, einem besonders widerstandsfähigen Kalkstein, gefertigte Fassade des Palazzos von Verschmutzungen befreit, gereinigt und einzelne dekorative, aber auch tragende Elemente, wie etwa Säulen, Fensterbögen, Balkone und Ornamente stabilisiert.
Insgesamt weist das Mauerwerk, wie im Allgemeinen in Venedig vorzufinden, Versalzungen und Mineralisierungen auf. Ein Vorteil dessen ist, dass das Salz in der Luft für ein trockenes Raumklima sorgt und somit im gesamten Palazzo keinerlei Feuchtigkeitsschäden oder Schimmelbefall nachweisbar sind. Allerdings bringen die Versalzungen auch mit sich, dass einzelne unverputzte Backsteine in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden müssen. Besonders im Erdgeschoss ist die Korrosion der Ziegel durch Versalzungen gut sichtbar. Während die orangefarbenen Ziegel, die innerhalb der letzten ein- bis zweihundert Jahre eingesetzt wurden, teilweise stark porös sind, halten die ockerfarbenen bis gelben Ziegel, die zu Zeiten des Römischen Reiches hergestellt wurden und älter als eintausend Jahre alt sind, der Witterung stand.
Weiterhin wurden, ebenfalls im Erdgeschoss zum Kanaleingang hin, Rückbauten durchgeführt, da der ursprünglich großzügige Lager- und Bootsraum im 20. Jahrhundert nachträglich in Parzellen eingeteilt wurde.
Restaurierungen: Kunst & Handwerk, Fresken und Stuck
Beschädigungen am Deckenstuck, am Innenwanddekor und abgeplatzte sowie verblichene Wandbemalungen im piano nobile, welche auf das Ende des 19. Jahrhunderts zu datieren sind, wurden mittlerweile von einem erfahrenen venezianischen Restaurator wiederhergestellt und restauriert. Um bei den Restaurierungsmaßnahmen die größtmögliche historische Authentizität zu gewährleisten, wurden Farb- und Pigmentuntersuchungen durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben, dass die heutige Farbgebung sich in ihren Nuancen vom Originalzustand abhebt. So waren einige Ornamente etwa ursprünglich blassgrün, wurden aber später kristallblau überstrichen. Der Grundton der gesamten Wandbemalung unterschied sich ebenfalls. Man entdeckte, dass während der letzten Renovierungsarbeiten das Braungrau einem Cremeton weichen musste. Selbstverständlich entschied man sich für das historische Dekor aus dem 19. Jahrhundert. Ebenfalls erfolgte die Restaurierung der ornamentalen Bemalungen an den Deckenbalken und Holzkassetten im Erdgeschoss sowie im Treppengang, die ihrerseits aufgrund ihrer Farbenvielfalt in die frühe Zeit der byzantinischen Gotik einzuordnen sind.
HEUTIGE NUTZUNG UND KÜNFTIGE VORHABEN
Als aktiver Beitrag zum Erhalt Venedigs als lebenswerte Stadt soll die Nutzung des Palazzo Tron a San Beneto als Wohnhaus für drei Mietparteien beibehalten werden. Ebenfalls soll sein Ursprung als Ort der Inspiration und des gesellschaftlichen Austauschs unbedingt gewahrt werden, weshalb der Palazzo auch künftig für kulturelle Veranstaltungen, wie etwa als Ausstellungsfläche im Rahmen der alle zwei Jahre stattfindenden Kunst-Biennale, genutzt werden soll.
Zusätzlich hat sich das European Heritage Project zum Ziel gesetzt, die Neubelebung und Restaurierung der im 11. Jahrhundert erbauten Chiesa di San Beneto finanziell wie organisatorisch zu unterstützen. Als einstige Konfessionskirche der Familie Tron, ist der Sakralbau nicht bloß direkter Nachbar des Palastes, sondern stellt zugleich seinen Namensgeber und Patron dar. Dieses angestrebte Engagement soll als ehrenamtlicher und wohltätiger Akt gelten, der es ermöglichen soll, das Viertel wiederzubeleben.
Videobeiträge:
2018 erwirbt das European Heritage Project zwei Palazzi am Canal Grande in Venedig. Mit einem privaten Konzert des Münchner Knabenchors und des Opernsängers Kevin Connors feiern circa 80 geladene Gäste den Abschluss der Sanierungsarbeiten.