Es gehörte ohne Zweifel zu den architektonisch wertvollsten Anlagen am Starnberger See, ja, zu den bedeutendsten in der Villenlandschaft des Münchner Umlandes.
Gerhard Schober
führender Geschichtsexperte
Das Palais Sonnenhof ist eines der wichtigsten Baudenkmäler am Starnberger See. Es spiegelt wie kein zweites den Höhepunkt der bürgerlichen Kultur vor dem 1. Weltkrieg wider, und steht gleichzeitig für die Transformation des Seengebietes von einem exklusiven herzoglichen Refugium hin zu einer Sommerfrische für das immer selbstbewusster auftretende Bürgertum der späten Monarchie.
Insbesondere nach dem 1. Weltkrieg wurde die Villa Schauplatz zahlreicher politischer Ereignisse. Hier mussten Hausdurchsuchungen durch die revolutionären Soldatenräte geduldet werden, hier fanden Gefechte mit den Regierungstruppen des Generals Epp statt. Der ehemalige Botschafter des Deutschen Reichs Graf Bernstorff warb hier für den Eintritt in den Völkerbund. Die widerstandslose Kapitulation Starnbergs vor den amerikanischen Truppen wurde hier beschlossen. Und ab 1945 befand sich hier die amerikanische Kommandantur der US-Forces.
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Das Palais Sonnenhof, ursprünglich noch Villa Böhler genannt, wurde 1912 von Hans Noris, dem Protégé des renommierten Architekten Gabriel von Seidel, als majestätisches und repräsentatives Domizil für den Kunsthändler und königlich-bayerischen Hofantiquar Julius Böhler jun. erbaut. 1920 erfolgte der Verkauf der Villa für die stattliche Summe von 1,1 Millionen Reichsmark an den hochrangigen Diplomaten Johann Heinrich Graf von Bernstorff, der unter anderem Botschafter des Deutschen Reichs in Konstantinopel gewesen war. Ein Jahr nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 ging von Bernstorff mit seiner Familie ins Exil und verkaufte die Villa an den Sohn des ehemaligen Heidelberger Bürgermeisters Ernst Walz, der nach dem Krieg selbst Heidelberger Bürgermeister werden sollte. Nach der Kapitulation Deutschlands 1945 wurde das Anwesen zum regionalen Sitz der Amerikanischen Kommandantur, bis es die Stadt Starnberg 1976 im Rahmen einer Leibrentenvereinbarung erwerben konnte.Heute erzählen die Wände ihre Version eines Stücks deutscher Geschichte, von einer Ära gesellschaftlicher Unruhen, staatlichen Unrechts und einschneidenden Wandels.Das European Heritage Project übernahm mit dem Erwerb des Palais Sonnenhof 2002 die klare Verpflichtung durch die Restaurierung der Gebäude und die Sanierung der Parkanlagen nicht nur einen der bedeutendsten Villenkomplexe seiner Zeit, sondern auch ein wichtiges Symbol des regionalen Erbes und der kulturellen Identifikation für die Nachwelt zu erhalten. Die überragende Bedeutung zeigt auch heute noch die Präsenz im Museum Starnberger See. Ein großes, detailgetreues Modell der Villa mit dazugehörender Parkanlage, das den Zustand des Anwesens zu Beginn der 1920er Jahre dokumentiert, ist eines der prominentesten Ausstellungsstücke.
KAUFSITUATION
Zur Zeit der Akquisition durch das European Heritage Project im Jahr 2002 hatte das Palais Sonnenhof nach jahrzehntelanger, geduldeter Verwahrlosung durch die Stadt Starnberg und durch die Eingriffe rücksichtsloser Spekulanten große Teile seiner Bausubstanz eingebüßt. Das Anwesen stand vor dem Verfall. Nicht nur die Villa, sondern vor allem auch die einst herrschaftliche Parkanlage waren in einem desolaten Zustand.
Die Zeit der Eigentümerschaft der Stadt Starnberg war auch sonst leider nicht ohne Folgen geblieben. Von der ursprünglich 6 Hektar messenden Anlage waren nur mehr 1,5 Hektar übriggeblieben. Im Süden trennte man dort, wo sich einstmals ein seiner Zeit vorausweisendes Freibad befand, eine Fläche von zirka 1 Hektar ab, um mehrere Sozialwohnblöcke zu errichten. Die als Nutzgarten und Gärtnerei bewirtschafteten Flächen und Gartenhallen im Südosten an der Hanfelder Straße wurden an einen privaten Gärtnereibetrieb gewinnbringend veräußert. Die größte Fläche von mehr als 2 Hektar wurde dem Neubau des Starnberger Klinikums zugeschlagen. Schließlich trennte die Stadt auch noch das Pförtnerhaus und die Remise ab und übertrug sie einem Privatnutzer. Damit war die Filetierung abgeschlossen.
Unschlüssig über die zukünftige Verwendung der verbliebenen Teile hatte die Stadtverwaltung schließlich das Restanwesen einschließlich der Villa an eine Gruppe zweifelhafter Investoren verkauft. Diese gaben vor hier ein mondänes Hotel errichten zu wollen. Nachdem diese Pläne an fehlender Liquidität gescheitert waren und auch eine Nutzung als Anlage für betreutes Wohnen fehlschlug, sollte das Anwesen in Eigentumswohnungen aufgeteilt und versilbert werden. Die notwendigen Teilungsgenehmigungen lagen schon vor. Das Denkmalamt hatte bereits kapituliert. Doch nicht einmal dafür reichte das Geld.
Abgesehen von gelegentlichen Filmaufnahmen, für die das Anwesen in den Neunziger Jahren genutzt wurde, stand das Gebäude nun jahrelang leer. Der Dornröschenschlaf begann.
Erst die Akquisition durch das European Heritage Project im Jahre 2002 führte zum entscheidenden Wandel. Das Rumpfgrundstück mit 1,5 Hektar konnte in einer Schlichtung zwischen den inzwischen zerstrittenen Verkäufern übertragen werden.
Um zumindest einen Teil der ursprünglichen Anlagengestaltung von 6 Hektar wiederherstellen zu können, gelang es als nächstes die
wesentlichen Nebengebäude, wie etwa das Pförtnerhaus und die Remise von einem privaten Eigentümer zu erwerben. Im Norden konnten außerdem weitere Grünflächen von der Stadt zugekauft werden, die es möglich machten die nördliche Gartenanlage in etwas kleinerem Maßstab zu rekonstruieren. Im Süden konnte noch ein Grüngürtel angefügt werden, sodass nach Abschluss der Akquisitionen das Grundstück immerhin wieder 3 Hektar aufwies.
ANWESEN: ZAHLEN & FAKTEN
Die unter Denkmalschutz stehende Villa befindet sich in der südbayerischen Stadt Starnberg, liegt nördlich des Starnberger Sees und westlich des Landschaftsschutzgebiets Leutstettener Moos.
Das Palais Sonnenhof, ursprünglich Villa Böhler, später Villa Bernstorff genannt, wurde 1912 am oberen Hanfelder Berg im historistisch barockisierenden Stil erbaut. Es überblickt von seinem höchsten Punkt das Panorama der gesamten Alpenkette von Berchtesgaden bis zum Bodensee.
Das zentrale Gebäude weist über fünf Etagen eine Nutzfläche von rund 1.100 Quadratmetern auf. Dazu gehören mehrere Nebengebäude, die nochmals 350 Quadratmeter Fläche hinzufügen. Hinter dem Einfahrtstor an der Hanfelder Straße befindet sich das Pförtnerhaus und die ehemalige Kutschenremise. Weiter nördlich steht ein als nordisches Sommerhäuschen gestaltetes Gärtnerhaus. Unmittelbar nördlich des Zentralbaus liegt die Zufahrt, die um einen zentralen Brunnen erfolgt, eingerahmt von einer nördlichen Terrassierungsmauer und einer weiteren zentralen Wandbrunnenanlage.
Die Parkanlage erstreckte sich ursprünglich über eine Fläche von 6,4 Hektar, von denen heute noch 3,1 Hektar erhalten sind. Auch die Parkanlage steht heute unter Denkmalschutz.
Das Gelände fällt von Norden nach Süden ab, unterbrochen von Terrassierungsanlagen. Im Westen bedeckt ein Buchenwald die Anhöhen. Während im Norden ein eher englischer Parkstil herrscht, sind die Anlagen im Westen und Süden eher italienisch-formal ausgestaltet.
Über das Grundstück verteilen sich vier Brunnenanlagen und drei Pavillons, die durch ein umfassendes Wegenetz erschlossen werden. Im äußersten Nordosten und im äußersten Südwesten befinden sich schmiedeeiserne Rundpavillions, die nicht nur Fixierpunkte bewusst angelegter Sichtachsen sind, sondern auch verschiedene Perspektiven auf das Anwesen, den Starnberger See und die Alpenkette ermöglichen.
GESCHICHTE
19. Jahrhundert: Vom Fischerdorf zur Sommerfrische des Münchner Bürgertums
Das heutige Starnberg wuchs aus zwei benachbarten Siedlungen zusammen, die von sehr unterschiedlichen Wirtschaftszweigen geprägt waren. Im alten, südlich des Schlosses gelegenen Dorf Achheim war traditionell die Fischerei zuhause. Im nordöstlichen Nieder-Starnberg hatten sich hauptsächlich Handwerker und Bedienstete des Münchner Hofes angesiedelt. Als jedoch der Münchener Hof statt des Starnberger Schlosses die Schlösser in Berg und Possenhofen für seine Veranstaltungen und prunkvollen Feste bevorzugte, verlor der Ort als Wittelsbacher Sommerresidenz seine Bedeutung.
Doch das sollte nicht lange so währen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wandelten sich verschiedene Starnberger Bauernhöfe in kleine Gutsbesitzungen von Adligen. Auch wohlhabende bürgerliche Familien entdeckten jetzt zunehmend die Schönheit der Landschaft rund um den Würmsee, der erst im 20. Jahrhundert in Starnberger See umgetauft wurde, und ließen sich am Seeufer die ersten Villen als eigene Sommersitze bauen. So schlossen sich allmählich rund um den See einige der großen Freiflächen. Von einer architektonischen Geschlossenheit konnte jedoch noch nicht die Rede sein. Die Bebauung des Vogelangers und des südlichen Schlossbergs begann, während gleichzeitig an der Weilheimer Straße erste größere Komplexe in Villen- und Palaisform entstanden.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gab Baurat Johann Ulrich Himbsel (1787 – 1860), der sich bereits 1827 am Würmsee angesiedelt hatte, den eigentlichen Anstoß für die sprunghafte Entwicklung des Dorfes Starnberg, indem er die Dampfschifffahrt auf dem Starnberger See begründete. Himbsel sah sehr früh die wirtschaftlichen Chancen, die sich aus einer Verknüpfung der nahegelegenen Großstadt und freier, unberührter Natur ergeben würden. 1851 lief der für 300 Passagiere gebaute Salondampfer „Maximilian“ in Starnberg vom Stapel. Zahlreiche Münchner Ausflügler, die mit Kutschen und Stellwagen durch den Forstenrieder Park angereist waren, nahmen diese neue Möglichkeit der Freizeitgestaltung begeistert an. Um eine bessere Auslastung des Schiffes zu erzielen, begann Himbsel auf eigene Kosten mit dem Ausbau der Bahnstrecke München-Starnberg. Das sollte die Starnberger Geschichte nachhaltig verändern. Begünstigt durch die 1854 eröffnete Eisenbahnstrecke, erlebte der Ort ein zuvor nie dagewesenes Wachstum. Die bis dahin kleine Gemeinde entwickelte sich zum bedeutendsten Ort am Starnberger See.
1912 – 1918: Glanzstück Repräsentativer Architektur: Zwischen Familienidyll und Kunstsammlung
Im Jahre 1912 gelang es dem bedeutenden Münchner Antiquitätenhändler und bayerisch-königlichen Hofantiquar Julius Böhler jun. (1860 – 1934) einen der letzten hochattraktiven Bauplätze am oberen Hanfelder Berg zu erwerben. Zusätzlich leitete das Jahr 1912 einen einschneidenden Wendepunkt für Starnberg ein, als dem Ort die „Einreihung der Landgemeinde Starnberg in die Klasse der Städte“ zugesprochen wurde.
Julius Böhler jun. hatte bereits 1900 eine Villa im sogenannten Heimatstil in der Josef-Fischhaber-Straße in Starnberg erbauen lassen. Diese erste Villa Böhler fällt auch heute noch durch ihre Neorenaissance-Fassade mit neogotischem Türmchen und Fachwerk auf, jedoch entsprach das Anwesen nach nur einem Jahrzehnt nicht mehr den repräsentativen Bedürfnissen des Hofantiquars. Denn eine Villa im Sinne Böhlers sollte seinen beeindruckenden, bürgerlichen Werdegang in angemessener Weise widerspiegeln.
Julius Böhler kam 1860 als achtes Kind einer Handwerksfamilie in dem kleinen Ort Schmalenberg im Schwarzwald zur Welt. Im Alter von zwanzig Jahren ging er nach München und eröffnete in der Innenstadt sein erstes Ladengeschäft in der Zweigstraße. Er spezialisierte sich ab diesem Zeitpunkt auf Gemälde, Skulpturen und hochwertiges Kunsthandwerk. Die Eröffnung einer zweiten Kunsthandlung in der Sophienstraße folgte nur wenig später. Mit 35 Jahren wurde Julius Böhler aufgrund seines guten Gespürs für die Bedürfnisse seines kunstsammelnden Klientels von Kaiser Wilhelm II. zum „königlich-preußischen Hofantiquar“ ernannt. Zur Jahrhundertwende lässt sich Böhlers Karriere nur wie folgt beschreiben, nämlich von Erfolg gekrönt. Zwischen 1902 und 1904 entstand in zentralster Lage in der Münchener Briennerstraße das „Palais Böhler“ (heute Carolinenpalais), für dessen Entwurf er den renommierten Architekten Gabriel Seidl (1848 – 1913) beauftragte. Nur ein Jahr später ernannte der bayerische Hof unter Prinzregent Luitpold (1821 – 1912) den verdienstvollen Kunsthändler zum „königlichen Hofantiquar“. 1906 wurde mit der Teilhaberschaft des Sohnes Julius Wilhelm Böhler jun. der Generationenwechsel eingeleitet, während sich das Familienoberhaupt langsam zur Ruhe setzte.
1912 beauftragte Julius Böhler jun. Hans Noris, einen der bekanntesten und fortschrittlichsten Münchner Architekten seiner Zeit und Schüler des berühmten Gabriel von Seidl, ein Anwesen zu schaffen, das einerseits sämtlichen Anforderungen an einen luxuriösen Landsitz gerecht wurde, andererseits aber auch den Geschmack und Lebensstil des Bauherrn zum Ausdruck bringen sollte.
1914 wurde das Palais Sonnenhof fertiggestellt.
1918 – 1934: Die Villa Böhler wird zum Ort des politischen Handelns
1918 führten die Nachkriegsunruhen zur Bildung des revolutionären Starnberger Arbeiter- und Soldatenrates. Erstes Opfer wurde Julius Böhler jun., der zunehmend drangsaliert wurde. Es folgten sogar ungesetzliche Hausdurchsuchungen im Anwesen. Im April 1919 kam es zu Scharmützeln der Rotarmisten mit den Regierungstruppen am Hanfelder Berg. Dann war der Spuk vorbei.
Nachdem sich Julius Böhler jun. von seiner Frau getrennt hatte, verkaufte diese das Anwesen, das sie im Zuge der Auseinandersetzung übertragen bekommen hatte, 1920 für die sagenhafte Summe von 1,1 Millionen Reichsmark an den ranghohen Diplomaten Johann Heinrich Graf von Bernstorff (1862 – 1939). Nach dem Erwerb der Villa beauftragte von Bernstorff erneut den Architekten Hans Noris, um einige bauliche Veränderungen vorzunehmen. Die nach außen hin sichtbarste Maßnahme war der spiegelbildliche und baugleiche Anbau eines zweiten Seitenflügels an der Westseite des Gebäudes.
Durch die baulichen Eingriffe wurde das Erscheinungsbild der Villa in ihrer herrschaftlichen und repräsentativen Qualität gesteigert. Darüber hinaus entstanden bei dem Umbau der Villa modernste Elemente, wie etwa die im Boden versenkbare Glasfront des Wintergartens, ein für diese Zeit unerhörter Luxus.
Mit von Bernstorff hielt jetzt die Politik Einzug in das Palais Sonnenhof. Von Bernstorff, der einer deutsch-dänischen Diplomatenfamilie, die dem mecklenburgischen Uradel angehörte, entstammte, machte sich im Laufe seiner politischen Laufbahn einen Namen als Schlichter und versierter, strategischer Vermittler. Er durchlief mehrere Stationen im diplomatischen Dienst des Deutschen Reiches, darunter als Legationssekretär in Belgrad und Sankt Petersburg, als Legationsrat in München (für das Reich), und ab 1917 als Botschafter in Konstantinopel. Nach Kriegsende bot man von Bernstorff den Außenministerposten an, den er jedoch ablehnte und im Anschluss den aktiven Auswärtigen Dienst quittierte. Mit dem Bestreben, sich der Innenpolitik Deutschlands zu widmen, zog er bald für die liberale Deutsche Demokratische Partei („DDP“) in den Reichstag ein und behielt seinen Sitz von 1921 bis 1928 bei. 1922 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Liga für den Völkerbund ernannt und setzte sich mit aller Kraft für den Eintritt Deutschlands in die Staatengemeinschaft ein. Ab 1926 vertrat er das Deutsche Reich als ständiger Vertreter beim Völkerbund. Viele politische Entscheidungen von nationaler wie internationaler Bedeutung wurden in dieser Zeit in der Villa Bernstorff getroffen.
1934 – 1945: Zeiten des Aufruhrs, vom Dritten Reich zur Stunde Null
Angesichts der sich abzeichnenden Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Bernstorff 1933/34 in die Schweiz. Im Zuge dessen verkaufte er das Gebäude 1934 an Ernst Walz, den Sohn des ehemaligen Heidelberger Bürgermeisters Ernst Walz. Auch die Familie Walz blieb von der NS-Herrschaft nicht verschont. So war der Jurist Ernst Walz zu Zeiten der Weimarer Republik Leiter der Abteilung für Verfassungsrecht, Verwaltungsorganisation, Kommunal- und Sparkassenaufsicht im Innenministerium und wurde 1932 zum Ministerialrat ernannt. Da seine Mutter jedoch Amerikanerin deutsch-jüdischer Abstammung war, wurde er 1935 an den Rechnungshof zwangsversetzt. Aufgrund seiner Wurzeln musste er 1937 in den einstweiligen und 1942 schließlich in den endgültigen Ruhestand gehen.
Was sich in jener dunklen Zeit deutscher Geschichte zwischen 1934 und 1945 genau im Palais Sonnenhof zugetragen hat, darüber darf spekuliert werden, jedoch sind einige Ereignis sehr wohl dokumentiert.
Zum einen handelt es sich um den Festakt zu Ehren der Veteranen des Ersten Weltkriegs im Jahr 1935. Die nationalsozialistische Kriegsopferversorgung, kurz NSKOV, ging aus der nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Kriegsopferbetreuung hervor und kümmerte sich um kriegsversehrte Frontsoldaten, die Hinterbliebenen der Gefallenen sowie um die Belange der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen im Allgemeinen. Sie wollte gewährleisten, dass ihnen ein würdiger Platz in der Gesellschaft als „Ehrenbürger der Nation“ zukam. In diesem Sinne plante die NSKOV für den Kreis Starnberg den Bau mehrerer Siedlungshäuser, die hauptsächlich dieser Personengruppe vorbehalten waren. Am 1. April 1935 wurde schließlich das Richtfest für die sogenannte „NS-Frontkämpfer- und Parteigenossen-Siedlung“ auf dem Gelände der ehemaligen Villa Bernstorff begangen.
Das Schicksal Deutschlands ließ sich im Frühjahr 1945 nicht mehr abwenden, der militärische Zusammenbruch war nahezu besiegelt, umso mehr erschien eine strategische Kapitulation die einzige Möglichkeit, die Stadt Starnberg vor ihrem Untergang zu bewahren, wenn auch der bewusste Vaterlandsverrat, beziehungsweise die Gefährdung der „deutschen Kampfentschlossenheit“ für alle Beteiligte das Risiko barg, zum Tode verurteilt zu werden.
Die eigentliche, hochdramatische Entscheidung Starnberg nicht der Zerstörung preiszugeben, sondern vor den anrückenden amerikanischen Truppen widerstandslos zu kapitulieren, wurde im Sonnenhof getroffen.
Im Jahr 1949 enthüllte der ehemalige Bürgermeister Dr. Hans Deuschl (1891 – 1953), dass die entscheidende Besprechung zwischen ihm, dem Starnberger Landrat Dr. Max Irlinger (1913 – 1969) und dem leitenden SS-Kommandeur am 29. April in der Bernstorff-Villa stattgefunden habe. Es war ein Treffen, das maßgeblich das Schicksal Starnbergs beeinflussen sollte. Landrat Irlinger, der zu den heimlichen Widerständlern Starnbergs gehörte, hatte bereits am 27. April in einem Aufruf an alle Bürgermeister und Gendarmerieposten des Kreises Starnberg „die Organisation jeglichen Widerstandes gegen die einrückenden Amerikaner untersagt“. Zwei Tage später wurde Irlinger von der SS wegen seines Appells verhaftet. Nur dem persönlichen Eingreifen des Bürgermeisters Deuschl, selbst SS-Führer, war es zu verdanken, dass man Irlinger am Leben ließ. In der denkwürdigen Sitzung am 29. April entschieden die drei Herren – auch die zwei SS-Vertreter – dass auf jede weitere sinnlose Verteidigung Starnbergs verzichtet werde. Die SS-Truppen zogen ab. Damit entging Starnberg der Katastrophe. Jeder Widerstand gegen die Amerikaner blieb aus.
Am Nachmittag des Folgetages rollten schließlich die ersten Panzer der amerikanischen Truppen über die Hanfelder Straße ein.
1945 bis 2002: Von großen Plänen und Dreharbeiten
Nach Ende des Krieges wurde der Sonnenhof zur örtlichen Kommandantur der US-Forces umfunktioniert. Das US-Militär übernahm damit die Herrschaft am Sonnenhof. 1948 wurde die Kommandantur wieder aufgelöst.
Im gleichen Jahr übertrug Alfred Walz das Palais seiner Tochter Edith. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten willigte in den sechziger Jahren die Tochter mit ihrem Ehemann in ein Leibrentenabkommen mit der Stadt Starnberg ein, das beiden bis zum Tode eine monatliche Zahlung garantierte. Mit dem Tod des Letztversterbenden ging 1976 das gesamte Anwesen auf die Stadt Starnberg über. Auf den südlichen Flächen des Geländes entstanden unter anderem ein Wohnkomplex im sozialen Wohnungsbau und das Starnberger Krankenhaus. Teile des Parks wurden verkauft. Schließlich veräußerte die Stadt das Rumpfgrundstück samt Villa an eine dubiose Firmengruppe, die Pläne für den Bau eines Hotels eingereicht hatte. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und mangelnder Finanzierung wurden die vielfach angekündigten Projekte jedoch nie umgesetzt.
In der Folge stand das Gebäude leer und wurde nur gelegentlich für Events und Filmaufnahmen genutzt. So etwa 1996, als die Villa unter der Regie Rainer Kaufmanns (*1959) zum Hauptdrehort für den deutschen Spielfilm „Die Apothekerin“ wurde. Der Film, der auf dem gleichnamigen Roman Ingrid Nolls (*1935) basiert, hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg des Neuen Deutschen Kinos in den 1990er Jahren.
Aufgrund der zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten der Eigentümergruppe hatten die finanzierende Banken die Verwertung der Anlage angekündigt. Daraufhin hatte einer der Akteure das gesamte Anwesen für 10 DM an einen Strohmann übertragen. Dagegen war von seinem Partner ein Widerspruch im Grundbuch erwirkt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Untreue und diverser Vermögensdelikte. Durch intensive Vermittlungstätigkeit gelang es dem European Heritage Project 2002 diese verwickelte Situation aufzulösen und das Grundstück selbst zu erwerben.
ARCHITEKTUR
Die Villa
Stilistisch lässt sich das Palais Sonnenhof, wie die 1912 erbaute Villa Böhler heute heißt, nicht eindeutig einordnen. In ihrer Bauform verbindet die von Noris konzipierte Villa mehrere Stilistiken. So sind im Außenbereich barockisierende, wie auch klassizistisch anmutende Elemente vertreten, im Innenbereich finden sich aber auch die Renaissance, der Manierismus oder das Rokkoko wieder. Selbstverständlich gehörten diese Stilrichtungen 1912 längst vergangenen Epochen an, doch ist die Adaption des damals zeitgenössischen Jugendstils und moderner Bauweisen und Techniken, wie etwa die Verwendung von massivem Stahlbeton in der Statik, ein Indikator für eine eklektische Stilistik.
Die vom Architekten Hans Noris erbauten Villen in München und im Münchener Umland werden meist dem Jugendstil zugeordnet, doch bei diesem Objekt ist diese stilistische Klassifizierung nicht möglich. Zwar besitzt das Palais Sonnenhof gewisse Elemente, die auch dem Jugendstil entsprechen, wie etwa die Fliesen in den Sanitärbereichen, die skulpturellen Darstellungen an den Fassaden und Terrassen oder das sehr geradlinige und von einer gewissen Leichtigkeit geprägte Walmdach, das weniger schwer und streng anmutet, als es noch bei klassizistischen Bauweisen der Fall ist. Insgesamt aber verschmelzen in dem mondänen Anwesen diverse Epochen.
Der Eklektizismus kann als Abgrenzung gegenüber dem Historismus benutzt werden, um den damals verbreiteten Stilpluralismus besser einzuordnen. Das Palais Sonnenhof bietet ein vortreffliches Beispiel dieser eklektischen Bauart. Dabei muss man auch die Grundintention des ersten Bauherren im Auge haben. Das Palais sollte die Lebenseinstellung von Julius Böhler reflektieren. Dieser hatte seine Existenz und seinen Wohlstand auf dem Handel mit Kulturartefakten aus verschiedenen historischen Zeiten begründet. Durch die Gestaltung des Hauses wollte er nicht nur seine Hochachtung vor allen Epochen der Vergangenheit gleichermaßen bekunden, sondern auch zum Ausdruck bringen, dass die Gegenwart nur durch die Errungenschaften des Vergangenen sinnhaft ist.
Das Gebäude selbst ist von seiner Kubatur her als barocke Anlage konzipiert. An den halbrund gearbeiteten Zentralbau schließen sich Seitenflügel an, die jedoch, niedriger als der Zentralbau, nur zweigeschossig ausgeführt sind. Die repräsentativen Fenster im Erdgeschoss sind in Anlehnung an Palladio als halbrunde Ensembles gestaltet, die den Blick über eine die ganze Länge des Baus begleitende Terrassenanlage in den symmetrisch gegliederten Garten Richtung Starnberger See freigeben.
Es darf behauptet werden, dass die Art und Weise, mit welcher Noris die Villa Böhler entwarf und deren Bau umsetzte, wesentlich fortschrittlicher war, als bei den meisten seiner Zeitgenossen, die sich ebenfalls dem Historismus verschrieben hatten. Bemerkenswert ist neben der Gestaltung des Anwesens besonders die Verwendung modernster Bautechniken. Zum einen ist der neuartige Einsatz von Stahlbeton für die Gebäudekonstruktion beinahe außergewöhnlich, da es sich selbst bei den nichttragenden Wänden größtenteils um Doppelwände handelt, die zum einen aus gewöhnlichem Mauerwerk bestehen, dennoch aber durch eine zusätzliche Betonschicht verstärkt sind. Die Wandstärken entsprechen in ihrer Kompaktheit einer Massivität, die im gewöhnlichen Häuserbau der damaligen Zeit kaum anzutreffen war, und die die statischen Anforderungen der Villa bei weitem übersteigen.
Ein weiteres Beispiel für die unkonventionelle Verwendung neuer technischer Mittel durch Noris ist die vollständig im Boden versenkbare Glasfront im Wintergarten der Villa. Diese flexibel nutzbare Glaswand schafft zum einen die Grenzen zwischen Haus und Garten ab, zum anderen stellt sie ein damalig absolutes Novum der Ingenieurskunst dar. Vergleichbares ist nur in wesentlich später entstandenen architektonischen Meisterwerken der Moderne, wie etwa in der Villa Tugendhaft im tschechischen Brünn vorzufinden, die zwischen 1929 und 1930 vom berühmten Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886 – 1969) erbaut wurde und heute zu den sogenannten „Kronjuwelen“ der Moderne gehört.
Selbstverständlich stellt der spielerische Eklektizismus von Noris einen vehementen Kontrast zum späteren Minimalismus der architektonischen Moderne dar und ist somit stilistisch absolut nicht vergleichbar. Es darf dennoch nicht unterschätzt werden, dass eben dieser Eklektizismus, wie er im Palais Sonnenhof auf wundervolle Weise repräsentiert wird, spätere, neuere architektonische Strömung wesentlich beeinflussen sollte – zum Beispiel die ab den 1960er Jahren populäre Postmoderne, die dem Leitspruch „anything goes“ folgte.
Das Palais Sonnenhof bietet aufgrund der in ausgeglichener Symmetrie angelegten Fassaden und dem schönen Walmdach ein Bild ausgewogener Gelassenheit. Durch die bodenständigen Materialien und die hochwertige, detailfokussierte Verarbeitung wirken die Fassaden ohne jedes Beiwerk, allein durch die Qualität der Architektur. Die Villa ist auf Wirkung nach allen Seiten berechnet, und anders als bei älteren Häusern am See, die oft nur eine Schauseite besitzen, sind hier alle vier Fassaden gleichwertig ausgebildet.
Die innere Raumaufteilung des Bauwerks lässt sich sehr klar an der nach Süden gerichteten Gartenfassade erahnen. Im durch französische Rundbogenfenster gekennzeichneten Erdgeschoss befinden sich Wohn- und Repräsentationsräume. Der Haupteingang zur Villa befindet sich, von hohen Säulen flankiert, an der Rückseite des Gebäudes. Darüber befindet sich ein Belvedere, eine Art erhöhter Patio, welcher einen Ausblick auf die gesamte rückseitige Parkanlage ermöglicht. Durch ein gewölbtes und mit Rotmarmortreppen ausgestattetes Vestibül erreicht man die großzügig dimensionierten, lichterfüllten Wohnräume. Die Mitte nimmt das große Musikzimmer ein, dessen bauchige Fensterseite dem Raum eine besondere Note verleiht. Die nischenartige Räumlichkeit dieser sogenannten Exedra, als innenarchitektonisches Element, erfreute sich bereits in der Antike großer Beliebtheit als Gestaltungsform für einen Gesellschaftsraum im Sinne eines Separées. In der Neuzeit wurde sie in Europa als Bestandteil der Profanarchitektur wiederentdeckt. Besonders in der Renaissance und im Barock begann man die Exedra wiederzuverwenden. Seitlich schließen sich dem Musikzimmer ein Salon und eine Bibliothek mit florentinischen Holzkassettendecken des 17. Jahrhunderts an, sowie imposante Marmorkamine, die ihren Ursprung ebenfalls im Italien des 16. beziehungsweise 17. Jahrhunderts haben, ebenso wie die in Rotmarmor gearbeiteten Türrahmen; offensichtlich war es Böhler gelungen diese Elemente einem florentiner Palazzo zu entnehmen. Hinter dem Wintergarten liegt seit dem Umbau durch Graf Bernstorff das Speisezimmer mit einem Aufzug zur darunterliegenden Küche. Eine Besonderheit bietet die bereits erwähnte im Boden versenkbare Fensterfront des Wintergartens.
Insgesamt sollte das Raumkonzept im repräsentativen Erdgeschoss die verschiedenen künstlerischen Epochen der europäischen Geschichte widerspiegeln. Von gotisch-renaissanceartiger Ausstattung in der Bibliothek, über manieristische Elemente im Salon bis zu barocken Elementen im Musikzimmer und Rokkokostuckaturen im Herrenzimmer, immer sollte jeder Saal ein zeitlich abgeschlossenes Ensemble sein.
In den Obergeschossen befinden sich mehrere Schlafzimmer sowie Bäder. Das einfacher gestaltete 1. Obergeschoss wird an beiden Seiten jeweils durch großflächige Balkone ergänzt.
Parkanlage
Die ausgedehnte, nach englischem Vorbild gestaltete Parkanlage zieht sich vom Scheitel der Anhöhe bis hinunter zur Oswaldstraße. Sie bildet eine langgezogene, trapezförmige Fläche, die nach Süden hin deutlich abfällt und damit an allen Stellen eine ungehinderte Aussicht auf die Landschaft eröffnet. Während das Gelände am östlichen Randbereich stark zur Hanfelder Straße abfällt, steigt es am westlichen Rand rasch auf, um schließlich an einem hügelartigen Aussichtspunkt mit Pavillon südwestlich der Villa zu gipfeln. Damit ergibt sich nicht nur eine sehr wirkungsvolle Staffelung, sondern auch die Möglichkeit für ein Wegsystem in bewegter, sehr abwechslungsreicher Führung. Der Gartenteil vor der seeseitigen Fassade ist als barockisierendes Parterre angelegt, in das man von der Terrasse der erhöht stehenden Villa über eine ausladende Treppe hinunterschreitet. Das Gartenparterre wird an seinem Scheitel von einem weiteren Pavillon, der als Teehaus konzipiert ist begrenzt hinter dem eine bogenförmigen Brüstung mit barockem Ziergitter den Plateaubereich vom abfallenden Gelände trennt. Von hier aus führen zu beiden Seiten Spazierwege in den unteren Teil des Parks. Auf der Rückseite der Villa spiegelt eine ähnliche, ebenfalls in weitem Bogen angelegte Anlage das vordere Gartenparterre. Sie ist Ziel der Zufahrt und wird von einer etwas erhöhten und begehbaren Maueranlage begrenzt, die nach Norden von zwei gestaffelten Tuffsteinmauern hinterlegt wird. In deren Mitte führen Treppen zu einem von Tuffsteinmauern gebildeten Raum mit Sitzbänken und einem Brunnenbecken. Von diesem Raum zweigen jeweils seitliche Wege in den hinteren Teil des Parks ab. Auch das rückwärtige Gartenparterre wahrt wieder die strenge Ordnung einer barockisierenden Anlage.
An der Westseite der Villa befindet sich ein rechteckiger Ziergarten, der durch einen Wandbrunnen bereichert wird. Die unmittelbar auf die Villa bezogenen und streng geometrisch geschnittenen Gartenteile bilden innerhalb des langgezogenen Abhangs terrassenartig abgestufte Flächen. Durch diese wird das Bauwerk wirkungsvoll aus dem Gelände hervorgehoben und in seiner Bedeutung gesteigert. Vom Ziergarten aus führt ein schmaler Weg empor zu einem hügelförmigen Aussichtspunkt mit einem offenen Pavillon. Von dort leitet ein schattiger Weg durch den waldartigen Baumbestand zum rückwärtigen Teil des Parks.
Nebengebäude
Zum Palais Sonnenhof gehören mehrere Nebengebäude, die dem Anwesen erst nach 2002 wiedergegeben werden konnten. Hinter dem prächtigen, schmiedeeisernen Einfahrtstor an der Hanfelder Straße befindet sich das Pförtnerhaus sowie der ehemalige Stall und die umgebaute Kutschenremise. Da diese Nebengebäude mit der Hanfelder Straße auf einer Ebene liegen, während die Villa um einige Meter höher steht, sind sie von der Villa aus betrachtet kaum wahrnehmbar. Stilistisch folgen sie dem Hauptgebäude, auch wenn die Details summarischer ausgeführt sind.
STRUKTURELLER ZUSTAND ZUR ZEIT DER AKQUISITION
Da das Palais Sonnenhof seit den 1970er Jahren überwiegend leer stand und nur sporadisch zur Vermietung für Filmaufnahmen genutzt wurde, fand über drei Jahrzehnte keine Instandhaltung des Gebäudes oder der Parkanlagen statt. Dies hatte zur Folge, dass sich die Wasser- und Stromleitungen in einem maroden Zustand befanden. Elektrik und Heizung entsprachen in keinster Weise den gängigen technischen bzw. energetischen Standards. Darüber hinaus waren Fundament und Kellerräume von Unterspülungen durch hangseitiges Wasser angegriffen und wiesen erhebliche Wasserschäden auf. Witterungsbedingte Schäden zeigten sich im Dachstuhl, der aufgrund des stellenweise undichten Walmdachs morsch geworden war. Ein großer Teil der Fassade war wie bei einem Dornröschenschloss eingewachsen. Das gesamte Innere wies erhebliche Beschädigungen auf, während außen der Putz defekt war und bröckelte. Die Parkanlage war als solche nicht mehr erkennbar.
Von der historischen Ausstattung des Anwesens war nichts mehr vorhanden. Nur die fest verbauten Elemente waren von der offensichtlich systematischen Plünderung verschont geblieben.
RESTAURIERUNGSMAßNAHMEN
Nach der Akquisition durch das European Heritage Project im Jahr 2002 erfolgte eine umfassende Restaurierung und Sanierung des gesamten Komplexes. Im Jahr 2005 konnten die Arbeiten am Hauptgebäude abgeschlossen werden. Nach dem insgesamt dreijährigen Wiederbelebungsprozess der Gebäude folgte im Jahr 2006 auch die erfolgreiche Instandsetzung der mondänen Gartenlandschaft.
In enger Zusammenarbeit mit Architekten, Ingenieuren, Restaurateuren, Landschaftsarchitekten und dem Bayerischen Denkmalschutz, konnte so das eklektische, historistische Anwesen, welches ein bedeutendes visuelles Zeugnis der bewegten Geschichte Starnbergs darstellt, seinen einstigen Glanz wiedererlangen.
Für die Innenbereiche war es die vorrangige innenarchitektonische Intention die diversen Stile bewusst zu kombinieren und dadurch bis ins kleinste Detail wieder aufleben zu lassen. Als Hommage an längst vergangene kunsthistorische Epochen wurde jeder einzelne repräsentative Raum im Erdgeschoss jeweils einer Epoche zugeschrieben und entsprechend der Absicht des ersten Bauherren Julius Böhler und seines Architekten Hans Noris neu eingerichtet. Auch heute spiegeln die diversen Säle die verschiedenen Stilrichtungen wider.
Statik
Aufgrund der Hanglage der Villa wurde das Fundament sowie der Keller des Gebäudes permanent unterspült, weshalb sich große Mengen an Untergrundwasser ansammelten, die nicht abfließen konnten. Die gesamte Stabilität des Gebäudes war dadurch permanent gefährdet. Daneben drohte die aus dem unterirdischen Bereich des Hauses aufsteigende Feuchtigkeit Folgeschäden im gesamten Anwesen zu verursachen. Insbesondere innenarchitektonische Elemente, wie die Decken, Vertäfelungen und Böden aus Holz waren dadurch gefährdet.
Die Fundamente mussten bis auf eine Tiefe von 6 Metern ausgegraben und neu ummauert werden. Für das hangseitige Wasser mussten Abflussmöglichkeiten aufgebaut werden. Defekte Elemente des Fundaments wurden ausgetauscht. In die Wände wurden Horizontalsperren gegen aufsteigende Feuchtigkeit eingebracht.
Dach und Fach
Das großflächig undichte Walmdach mit unterschiedlicher Dachneigung und mehreren Fledermausgauben, sowie abgeschlossenem Erker musste bis auf die Blechkonstruktion am Dachabschluss vollständig erneuert und die verbauten Schieferplatten komplett ausgetauscht werden. Das Gebälk des Dachstuhls war durch das von außen eindringende Wasser stark beschädigt. Die festsitzende Feuchtigkeit hatte zur Folge, dass die morschen Balken im gesamten Dachstuhl trockengelegt, repariert und zum Teil ausgetauscht werden mussten.
Heizung, Elektrik und Sanitäranlagen
Die Elektrik, Heizung sowie Wasser- und Stromleitungen waren in einem durchweg maroden Zustand, da sie seit der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1912 beziehungsweise dessen Erweiterung 1920 nicht saniert worden waren. Die gesamte Elektrik und Wasserversorgung mußte daher vollständig ausgebaut und neu eingesetzt werden. Das archaische Heizungssystem wurde ausgetauscht, wobei die dekorativen, gusseisernen Radiatoren nach deren Restaurierung beibehalten und wieder eingebaut wurden.
Rekonstruktion
Böden
Im Eingangsbereich wurden Steinböden nach Möglichkeit als originaler Bodenbelag beibehalten, wobei beschädigte Platten restauriert und fehlende ergänzt wurden. Bei den Weichholzparkettböden mit Hartholzeinfassungen in den Zimmern und Salons des Erdgeschosses, die je nach Raum sehr unterschiedliche Muster aufweisen, konnten die Hölzer dank umfassender Instandhaltungsmaßnahmen wie Schleifen, Polieren und Versiegeln, beibehalten werden. Die orange-weißen Jugendstil-Fliesen auf Terrassen und Balkonen wurden ebenfalls begradigt, restauriert und falls notwendig durch akkurate Nachbauten ergänzt.
Türen & Fenster
Die französischen, rundbogenförmigen Kastenfenster wurden in ihrem Ursprungszustand erhalten und lediglich überarbeitet und neu abgedichtet. Weiterhin konnten die originalen Türstöcke aus Holz und die vereinzelten Rotmarmor-Türlaibungen ohne wesentliche Substanzverluste restauriert werden.
Parkanlage
Zur Zeit der Akquisition durch das European Heritage Project war die Parkanlage vollkommen verwuchert und verlangte zeitweise die meiste Aufmerksamkeit. Die einst herrschaftlich anmutende Parkanlage nach englischem Vorbild hatte ihren ursprünglichen Zustand nahezu vollständig eingebüßt und war nicht mehr wiederzuerkennen.
Zunächst mussten Teile der Grundstücksflächen, jeweils im nördlichen und südlichen Teil der Anlage, die zuvor von der Stadt Starnberg verkauft worden waren, zurückerworben werden. Sämtliche Kaskaden, Kies- und Kopfsteinpflasterwege wurden fachmännisch erneuert und die Spazierwege nach Originalvorbild, aber im kleineren Maßstab, rekonstruiert. Die zahlreichen Pavillons und Brunnen wurden umfassend restauriert. Die Ziergärten wurden neu angelegt.
Mauerwerk
Besonders beeindrucken die überdimensionierten Wandstärken selbst bei nichttragenden Wänden. Es ist eine Bauweise, die eher in Bunkerkonstruktionen, nicht aber im gewöhnlichen Hausbau vorzufinden ist. Aber selbst eine solche Konstruktion ist gegen die Witterung und die Zeichen der Zeit nicht gänzlich unempfindlich. So mussten insbesondere die Außenwände an vielen Stellen mit Füllmaterial abgedichtet werden. Der gesamte Putz wurde in Absprache mit dem Denkmalschutz mit historischen Materialien erneuert.
Auch das dekorative Mauerwerk, das in vielen Bereichen der Parkanlage vorzufinden ist, bedurfte einer aufwendigen Instandsetzung. Da es sich hierbei um vulkanischen Tuffstein handelt, welcher aufgrund seiner natürlichen Porosität besonders erosionsanfällig ist, waren starke Witterungsschäden zu beseitigen. Die dem Zweck der Landschaftsarchitektur dienenden Mauern mussten mehrheitlich begradigt, gereinigt und einzelne Tuffsteinblöcke durch entsprechendes, heimisches Material ersetzt werden.
Restaurierungen (Kunst & Handwerk, Stuck, Fresken etc.)
Bei der Sanierung des Palais Sonnenhof wurde nicht angestrebt das Gebäude für eine zeitgemäße Nutzung umzubauen, sondern es seiner historischen Funktion folgend zu sanieren. Daher war es folgerichtig auch die wertvollen Fundstücke, wie dekorative Elemente und historische Einbauten, handwerklich zu restaurieren. Eine besondere Herausforderung bot sich bei der Erhaltung der detailreichen und überaus kostbaren, florentinischen Kassettendecken des 16. Jahrhunderts im Salon und in der Bibliothek. Die Deckenplatten mussten einzeln ausgebaut, überarbeitet und wiedereingesetzt werden. Zusätzliche farblich abgesetzte Ornamente, wie zum Beispiel einzelne dekorative Holzrosetten, wurden nach alten Fertigungstechniken unter Verwendung von Originalrezepturen von Farben, Lacken und Ölen wiederbelebt.
Die italienischen Marmorelemente aus dem 16. bis 17. Jahrhundert, wie dekorative Säulen, Kamine und Türrahmen, wurden fachmännisch restauriert. Die über Jahrzehnte entstandenen, unbehandelten Säureschäden hatten Verätzungen und erhebliche Ermattungen der ursprünglich glänzenden Flächen zur Folge. Teilweise war das Gestein an manchen Stellen sogar vollständig abgebrochen. Sämtliche Marmorelemente wurden gereinigt, poliert, geschliffen, ergänzt, repariert und anschließend geschützt.
Der leerstehende Teesalon im Westflügel des Erdgeschosses wurde neu interpretiert. Die nun pastellfarbene bis zitronengelbe Opulenz des Raumes wurde in Kooperation mit Restaurateuren, Stuckateuren und Antiquaren durch neu aufgetragene Stuckschichten, durch originale Supraporten, historische Wandvertäfelungen, bis hin zu originalen Rokoko-Spiegeln, Lüstern und Mobiliar detailgetreu betont.
HEUTIGE NUTZUNG
Mit seiner pittoresken und für Starnberger Verhältnisse eher ruhigen und separierten Hanglage, der Nähe zum Starnberger See und einem prächtigen Bergpanorama, ist das Palais Sonnenhof nebst seiner beeindruckenden Gebäude- und Landschaftsarchitektur ein außergewöhnliches Zeugnis für den luxuriösen Lebensstil des Münchner Bürgertums zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Das Anwesen wird heute primär für Wohnzwecke, aber ebenso für regelmäßige Konzerte und vielseitige kulturelle Veranstaltungen genutzt. Dank des großzügigen Außenbereichs, der prächtigen Terrassen und der weitläufig angelegten Parkanlage, bietet das Palais Sonnenhof besonders bei gutem Wetter ein unvergleichliches Potenzial für große Veranstaltungen, umgeben von einem herrschaftlich anmutenden und unvergesslichen Ambiente.
AKTUELLE MELDUNGEN
- Projekt Palais Sonnenhof: SchlossseitenDas Palais Sonnenhof – Perle des Starnberger Seesam 11. November 2020
https://europeanheritageproject.com/wp-content/uploads/2020/11/SS-022020_PalaisSonnenhof.pdf Am […]
- Allgemein: Schlossseiten Ausgabe 01/2020The European Heritage Projectam 6. April 2020
https://europeanheritageproject.com/wp-content/uploads/2020/10/14Schlossseiten.pdf Für gewöhnlich […]
- Projekt Palais Sonnenhof: SchlossseitenDas Palais Sonnenhof – Perle des Starnberger Seesam 11. November 2020
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