Als höchster Profanbau der Stadt, errichtet um institutionelle Macht und wirtschaftlichen Einfluss zu demonstrieren, hat das freistehende Berggericht das historische Stadtbild seit jeher entscheidend geprägt.
In den Jahren 2012/13 gelang es dem European Heritage Project einen wichtigen Teil der Kitzbüheler Altstadt zu erwerben, nämlich das alte Berggerichtsgebäude, sowie das sogenannte Lacknerhaus.
Wie Kitzbühels gesamter mittelalterlicher Stadtkern bestechen auch das aus dem 16. Jahrhundert stammende Berggericht und das im 17. Jahrhundert erbaute Lacknerhaus mit ihrer schlichten Sachlichkeit, die charakteristisch für die hiesige, kantige und massive Architektur profaner Bauten ist. Als Ensemble stellen beide Bauwerke, die zusammen mit der hochgotischen Katharinenkirche aus dem 14. Jahrhundert den Katharinenplatz bilden, den Kern der historischen Altstadt Kitzbühels dar.
Als höchster Profanbau der Stadt, errichtet um institutionelle Macht und wirtschasftlichen Einfluss zu demonstrieren, hat insbesondere das freistehende Berggericht das historische Stadtbild seit jeher geprägt. In seiner judikativen Funktion hatte dieses Repräsentationsgebäude über drei Jahrhunderte hinweg, wie keine andere Stätte, Einfluss auf das ökonomische, kulturelle, gesellschaftliche und politische Klima der Stadt. Als höchste lokale Instanz war es unter anderem für die Gerichtsbarkeit und Verwaltung der Silbergewinnung, die maßgeblich zum Wohlstand der Region Kitzbühel im Mittelalter beitrug, verantwortlich.
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Seit dem Erwerb der beiden denkmalgeschützten Profanbauten im Jahr 2012/13 durch das European Heritage Project hat das ehemalige Berggericht sein tristes, graues und verwahrlostes Äußeres wieder ablegen können. Zuvor war das Gebäude über ein Jahrzehnt leer gestanden. Ein massiver Verfall der Bausubstanz war die Folge. Eingeschlagene Fenster, im Dach nistende Vögel und ein insgesamt desaströser Zustand konnte durch aufwendige Restaurierungsarbeiten behoben und der imposante, spätgotische Ursprungszustand wiederhergestellt werden. Dabei wurden alle historischen Details, von gotischen Gewölbedecken über Renaissance-Fresken bis hin zu barocken Fenstern, die über die Jahrhunderte hinzugefügt oder beibehalten wurden, wiederhergestellt.
Das Lacknerhaus, welches während seiner Geschichte ausschließlich als Wohn- und Geschäftshaus genutzt worden, war in seinem damaligen Zustand stark baufällig und nicht mehr bewohnbar. Auch dieses Gebäude stand jahrzehntelang leer. So war es über die Jahre zum „Schandfleck“ der Stadt verkommen.
Nach langwierigen, bürokratischen Verfahren befindet sich die umfangreich geplante Restaurierung des Gebäudes nun endlich in der Fertigstellungsphase. Der Abschluss der Arbeiten ist für Mitte 2021 geplant.
Mit dem Erwerb und der Sanierung der beiden denkmalgeschützten Bauwerke hat das European Heritage Project dazu beitragen können, dass dieser älteste, aber bisher vernachlässigte Teil der Kitzbüheler Altstadt seine historische Bedeutung zurückbekommen hat.
KAUFSITUATION
Berggericht
Seit 1935 befand sich im ehemaligen Berggerichtsgebäude das Finanzamt der Stadt. 2002 entschloss sich die Stadt aufgrund hoher Instandhaltungskosten für einen Umzug der örtlichen Behörde in einen Neubau außerhalb des historischen Stadtkerns. Im Zuge dessen beschloss der Bund, das denkmalgeschützte Gebäude zu versteigern. Die Stadt Kitzbühel, die bei der Auktion mitgeboten hatte, wurde allerdings von einem einheimischen Unternehmer überboten.
Der neue Besitzer hatte die Absicht einen Aufzug sichtbar außen am Gebäude anzubringen. Die Stadt und der Denkmalschutz wollten dies jedoch nicht genehmigen. Mit dem Ziel, die Behörden unter Druck zu setzten, brach daraufhin der neue Besitzer sämtliche Restaurierungsarbeiten ab und unterließ selbst notwendige Instandhaltungsmaßnahmen. Das Gebäude stand ab jetzt leer.
Nachdem das denkmalgeschützte Gebäude nach zehn Jahren der Vernachlässigung immer sichtbarer erhebliche substanzielle Schäden erlitten hatte und nun selbst die wertvollen gotischen Gewölbe gefährdet waren, wurde das European Heritage Project auf den Sachverhalt aufmerksam und konnte den damaligen Eigentümer des Gebäudes davon überzeugen das Gebäude schließlich im Jahr 2012 an das European Heritage Project zu verkaufen.
Lacknerhaus
Zu Beginn des Jahres 2013 waren bereits erste Erfolge der Restaurierungsmaßnahmen am Berggericht sichtbar. Darauf aufmerksam geworden und von der engen Zusammenarbeit zwischen dem European Heritage Project mit dem Bundesdenkmalamt und der Stadtgemeinde Kitzbühel überzeugt, kontaktierte der damalige Eigentümer des Lacknerhauses das European Heritage Project. Da für ihn die dringend erforderliche Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes nicht möglich war, bot er es dem European Heritage Project zum Kauf an. Zu diesem Zeitpunkt stand das Lacknerhaus bereits lange leer.
ANWESEN: ZAHLEN & FAKTEN
Kitzbühel liegt im nordöstlichen Tirol, rund 95 km östlich der Landeshauptstadt Innsbruck im Leukental an der Kitzbüheler Ache inmitten der Kitzbühler Alpen. Die mondäne Stadt ist heute international als einer der bedeutendsten alpinen Wintersportorte bekannt.
Kitzbühel war aber immer schon wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Region. Diese Stellung beruhte vor allem auf dem Silberbergbau, der der Stadt seit dem Mittelalter zu Bedeutung und Reichtum verholfen hatte, wovon noch heute das Berggericht sowie das Lacknerhaus zeugen.
Die Einzigartigkeit des zu Beginn des 16. Jahrhunderts erbauten Berggerichts erklärt sich nebst seiner ortsprägenden Historie durch seinen besonderen Standort. Das Gebäude wurde baulich nicht in die Häuserzeile eingegliedert, wie die anderen Häuser im übrigen mittelalterlichen Stadtkern Kitzbühels, sondern es steht als einziges frei und bildet als zweithöchstes Bauwerk nach der Katharinenkirche, zusammen mit dem ebenfalls vom European Heritage Project erworbenen Lacknerhaus, ein historisch bedeutsames Ensemble um den Katharinenplatz.
Das gotische, vierstöckige, ehemalige Gerichtsgebäude besitzt eine Nutzfläche von knapp 800 Quadratmetern und ist 24 Meter hoch.
Das anliegende Lacknerhaus, das in seinem zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichteten Gebäudekern ebenfalls über vier Stockwerke verfügt und sich durch einen rechteckigen Grundriss auszeichnet, umfasst eine Wohn- und Nutzfläche von 350 Quadratmetern.
GESCHICHTE
Um 1178 wurde der Name Chizbuhel erstmals in einer Chiemseer Urkunde erwähnt, wobei „Chizzo“ eine bayerische Sippe bezeichnete und „Bühel“ die geographische Lage der Siedlung auf einer Anhöhe. Hundert Jahre später bezeugt eine Quelle die Existenz einer Vogtei des Stiftes Bamberg in Kicemgespuchel, wobei in der Stadterhebungsurkunde von 1271 von dem Ort Chizzingenspuehel die Rede ist.
Kitzbühel kam 1255 mit der ersten bayerischen Landesteilung zu Oberbayern. Anschließend verlieh Herzog Ludwig II. (1229-1294) Kitzbühel am 6. Juni 1271 das Stadtrecht und die Stadt wurde mit einer wehrhaften Mauer befestigt. Da sich Kitzbühel aber in den nächsten Jahrhunderten durch seine Lage zwischen Pass Thurn und Chiemgau als Handels- und Marktplatz etablierte, stetig wuchs und von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont blieb, wurden die Mauern auf Höhe des ersten Stockes abgetragen und zum Bau von Wohnungen benutzt. Die Heirat von Margarete Maultasch, Herzogin von Tirol-Götz (1318-1369) mit dem bayerischen Herzog Ludwig dem Brandenburger (1315-1361) im Jahr 1342 vereinte Kitzbühel vorübergehend mit Tirol, was die Stadt bis zum Tode Ludwigs zu einem bayerischen Protektorat machte. Nach dem Schärdinger Frieden im Jahr 1369 wurde das Gebiet wieder vollständig an Bayern abgetreten. Durch die bayerischen Landesteilungen gelangte Kufstein an die Landshuter Linie der Wittelsbacher. Während dieser Zeit wurde der Bergbau in Kitzbühel systematisch vorangetrieben und ein umfassendes Bergrecht erlassen, das später für das gesamte bayerische Herzogtum von Bedeutung werden sollte. 1504 ging Kitzbühel vorerst dauerhaft an Tirol. Kaiser Maximilian I. (1459-1519) hatte dies als Gegenleistung für seinen Kölner Schiedsspruch gefordert, der den Landshuter Erbfolgekrieg, eine Fehde zwischen Bayern und der Pfalz, 1505 beendet hatte. In den Gerichtsbezirken Kitzbühel, Kufstein und Rattenberg galt aber bis in das 19. Jahrhundert weiterhin das Landrecht Ludwigs des Bayern, welches bereits seit 1346 bestanden hatte, sodass die drei genannten Gebiete innerhalb Tirols eine juristische Sonderstellung einnahmen.
Maximilian verpfändete Kitzbühel und so stand es Ende des 16. Jahrhunderts unter der lokalen Herrschaft der Grafen von Lamberg. Erst am 1. Mai 1840 wurden feierlich die letzten Reste der Feudalherrschaft aufgehoben. Die Kriege des 18. und 19. Jahrhunderts gingen an der Stadt weitgehend spurlos vorüber, wenngleich sich auch Kitzbüheler an den Tiroler Befreiungskämpfen beteiligten. Kitzbühel gelangte erneut zu Bayern, als Kaiser Franz I. (1768-1835) im Frieden von Pressburg im Jahr 1805 Tirol an Bayern abtrat.
Nach dem Sturz Napoleons (1769-1821) wurde die Region 1815 im Rahmen des Wiener Kongresses wieder mit Österreich vereint.
Als Kaiser Franz Joseph (1830-1916) schließlich die verworrenen Verfassungsverhältnisse ordnete und im Jahre 1875 die Salzburg-Tiroler-Bahn fertiggestellt wurde, erfuhr die Stadt einen Aufschwung in Wirtschaft und Industrie. Im 20. Jahrhundert wurde Kitzbühel zum Ort der Reichen und Schönen, in dem auch heute viele Prominente leben.
Kitzbühel hatte das Glück im Ersten und Zweiten Weltkrieg von Zerstörungen verschont zu bleiben. So ist der historische Stadtkern rund um die Katharinenkirche, einschließlich der mittelalterlichen Stadtmauern, noch heute erhalten.
Berggericht
Das Berggericht war das repräsentative Gerichts- und Verwaltungsgebäude für den Silberbergbau, der im Mittelalter zum Reichtum der Stadt Kitzbühel wesentlich beigetragen hatte.
Tirol war eines der wenigen Alpenländer, die über abbauwürdige Silber- und Kupfererze verfügten. Aus diesen Bodenschätzen erwuchs die wirtschaftliche und politische Macht der Landesfürsten. Das Emporkommen der Habsburger zur Weltmacht um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert wäre ohne das Metall aus den Tiroler Minen nicht möglich gewesen. Neben dem Erzreichtum der Gegend von Schwaz bildete Kitzbühel das wichtigste Bergbauzentrum. Dem Bergbau verdankt die Stadt somit Bedeutung und Aufstieg.
Der repräsentativ gestaltete Profanbau wurde 1535 als Behausung von Ruepprecht Humbpühler und seiner Gattin Martha Wonnherrin erstmals urkundlich erwähnt. In der Folgezeit gab es mehrere kurzzeitige Besitzer, wobei im Jahre 1543 ein gewisser Sigmundt Neissl, auch Neussl, erstmals als ein neuer Eigentümer namentlich genannt wird. 1562 pachtete die Bergbauverwaltung das „Neisslhaus“ als Sitz des Bergrichters. 1587 erwarb sie es. Ab diesem Zeitpunkt wurde hier Recht gesprochen nach dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, welcher gemeinhin auch als Bayerisches Landrecht bekannt war.
Beim Berggericht handelte es sich um ein Gericht, das für bergrechtliche Angelegenheiten, Schlichtungen und Unfallermittlungen in den Bergbauvereinen zuständig war, die Konzessionen überwachte und die Rechtsansprüche der Landesfürsten vertrat. So unterstanden etwa die Bergbaugebiete Röhrerbühel und Jochberg, insbesondere die lokalen Kupfer- und Silbererzgruben, sowie die Weiterverarbeitung der gewonnenen Metalle und der Verkauf der Produkte, dem Berggericht Kitzbühel. Die Amtsgewalt wurde ausgeübt durch den Bergrichter und in Schöffenfunktion durch die Berggeschworenen. Alles wurde protokolliert vom Berggerichtsschreiber. Die Funktion des Bergrichters übernahm entweder der Bergamtsverwalter, der Bergvogt oder der Bergmeister. Die Berggeschworenen beaufsichtigten auch die Erzgruben, sowie die durch den Bergbau entstandenen Pingen an der Oberfläche. Weitere Helfer des Berggerichtes waren der Forstmeister, der Fronbote, der Fröner und der Silberwechsler. Der Fronbote war zuständig für die Vollstreckung der Gerichtsurteile und für sonstige Botendienste. Der Fröner und der Silberwechsler mussten die Abgaben, den Fron und Wechsel, die an den Landesfürsten zu entrichten waren, dokumentieren und überprüfen.
Folgende Bergrichter sind heute noch nachweisbar: 1631 Carl Ruedl, 1645 Mathias Undterrainer und 1671 Sebastian Undterrainer. 1692 wird ein Georg Budina als Bergrichter und Waldmeister erwähnt.
Nach der Aufhebung des Berggerichts Kitzbühel Ende des 18. Jahrhunderts war das Haus, weiterhin unter der Bezeichnung Berggerichtshaus, Amtssitz der Berggerichtssubstitution zu Kitzbühel und gleichzeitig des Kitzbüheler Waldamts. Ab 1818 war es dann wahrscheinlich nur mehr Sitz des Waldamts. Ab 1936 wurde es Sitz der Steuerbehörde, bis das Finanzamt im Jahr 2002 auszog.
Lacknerhaus
In seinem Kern kann das nach seinem letzten Besitzer Jakob Lackner benannte Lacknerhaus in der Hinterstadt Nr. 17 in das beginnende 16. Jahrhundert zurückdatiert werden. Wie auch das Haus in der Hinterstadt Nr. 19, gehörte das Lacknerhaus seit Beginn des 17. Jahrhunderts zum Haus Vorderstadt Nr. 20, wie auf historischen Stadtplänen, die um das Jahr 1620 gezeichnet wurden, zu erkennen ist.
Als der Lederermeister Veit Koidl das Gebäude im Jahr 1819 erwarb, wurde es von der Vorderstadt Nr. 20 getrennt und trug von da an die Adresse Hinterstadt Nr. 17. Von diesem Zeitpunkt an erlebte das einfache, spätgotische Stadthaus einen lebhaften Besitzer- und Bewohnerwechsel. Als weitere Eigentümer folgten im Jahr 1827 Maria Koidl und 1856 ihre Oberwalderischen Erben. Im selben Jahr geht das Stöcklgebäude, wie es damals hieß, an Bartlme Stangasser über, der das sogenannte „Lintnerhausstöckl“ in diesem Rahmen vergrößern lässt, wobei der im 16. Jahrhundert entstandene Baukern bestehen blieb. 1857 pachtete Anton Seiwald, der Maurer des „Klosterfrauenhauses“, Teile der Räumlichkeiten des heutigen Lacknerhauses. In diesem Jahr wird ein erneuter Besitzerwechsel verzeichnet, als das Gebäude vom Gürtelmeister und Goldarbeiter Anton Webersberger erworben wird. 1889 beerben ihn seine Frau Magdalena und seine Tochter Rosina, die 1891 Ferdinand Pöll heiratet. 1911 geht das Haus zwischenzeitlich an die Landeshypothekenanstalt, bis es zwei Jahre später von Katharina Nagele gekauft wird. Der Besitz bleibt bis 1967 im Besitz der Familie Nagele, bis es schließlich der Wirt Jakob Lackner, nach dem das Haus heute im Volksmund bezeichnet wird, erwirbt.
WISSENSWERTES & KURIOSES
Das Berggericht als Strafgericht
Zu Zeiten der Hexenverfolgung, welche sich im 16. und 17. Jahrhundert auch in Tirol ausgebreitet hatte, spielte das Berggericht nicht nur in der gewöhnlichen Prozessordnung eine Rolle, sondern auch in der peinlichen Gerichtsbarkeit, sodass zahlreiche vermeintliche Hexen und Hexer, nebst gewöhnlichen Verbrechern, vorgeladen und vom in Kitzbühel ansässigen Scharfrichter zum Tode verurteilt wurden.
Seit dem Jahr 1497 waren in Tirol zwei Scharfrichter angestellt, mit jeweils einem Dienstsitz in Hall in Nordtirol, zu dessen Amtsbezirk ebenfalls Kitzbühel gehörte, und Meran in Südtirol. Auch in Tirol wurden die Leichen der Getöteten auf Anweisung des Gerichtes unter Umständen zur Abschreckung jahrelang am Galgen hängen gelassen oder auf das Rad geflochten. Der Galgen war somit ein deutliches Symbol obrigkeitlicher Macht und der von ihr ausgeübten Form der Gerechtigkeit. Während die Obrigkeit zunehmend die Hinrichtung vor allem zu einer Machtdemonstration ausbaute und dem Volk keine Mitwirkung mehr gewähren wollte, gestaltete die einfache Bevölkerung seinerseits die öffentlichen Bestrafungen und Hinrichtungen zu Volksfesten um, bei denen es nicht nur Zeuge der Abstrafung eines Verbrechers war, sondern Teilnehmer eines Opfergangs, der die Gesellschaft reinigen sollte. Hingerichtete wurden regelmäßig in ungeweihter Erde begraben, oft direkt in der näheren Umgebung des Galgens. Die ausdrückliche Anordnung der Vergrabung der Hingerichteten beim Galgen oder einer vorher bestimmten Stelle bzw. der Asche von Hingerichteten, wie dies auch in Tirol überliefert ist, hängt auch mit der angeblich starken magischen Wirkung zusammen, die mit deren Überresten verbunden sein sollte.
Die Richtstätten wurden jedoch 1787, als die Todesstrafe in Österreich für die gewöhnliche Strafgerichtsbarkeit mit der Einführung des Josephinischen Strafgesetzes abgeschafft wurde, kurzfristig überflüssig. 1795, nach dem Tod von Joseph II. (1741-1790), wurde die Todesstrafe jedoch wieder eingeführt. Die meisten der alten Richtstätten, zu denen eben auch Kitzbühel gehörte, wurden danach dennoch nicht wieder in Betrieb genommen. Exekutionen wurden ab diesem Zeitpunkt nur noch an den Gerichten in Innsbruck und Bozen ausgeführt.
ARCHITEKTUR
Wie vom Architekten, Maler und Wahlkitzbüheler Alfons Walde (1891-1958) in seinen Kunstwerken, die zu Beginn bis Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind, abgebildet, stellen die Dächer der tirolerischen Stadt einen markanten Blickfang dar. Der charakteristische Bogen der Kitzbüheler Altstadthäuser stellt sich von oben betrachtet als geschlossene Dachlandschaft dar, die auch von der um 1900 neu erschlossenen Bergwelt aus in Fotografie und Kunst eingefangen wurde. Ihren konstruktiven Reiz hat Walde eindrucksvoll festgehalten, nachdem Andreas Faistenberger (1649-1735) Kitzbühel drei Jahrhunderte zuvor, als eine der ersten Tiroler Städte, in der Tradition der Renaissance-Ansichten aus der Vogelperspektive eingefangen hatte.
Bereits in diesen Luftbildern steht besonders die hochgotische Katharinenkirche aus dem 14. Jahrhundert mit ihrem hohen, spitzen Turm als Kern des mittelalterlichen Stadtkerns hervor, aber auch das freistehende Berggericht in unmittelbarer Nähe zur Kirche.
Berggericht
Das mächtige, freistehende und viergeschossige Gebäude mit Satteldach erhebt sich über einem rechteckigen Grundriss. Es handelt sich um das höchste profane Gebäude der Kitzbühler Kernstadt. Alle vier Gebäudeecken zeichnen sich über die abgeschrägten Fasen, die bis zur Fensterhöhe des Erdgeschosses reichen, aus. Die Fassaden sind ungegliedert und durch eine unregelmäßige Achsenanordnung gekennzeichnet. An der zur Hinterstadt hin orientierten Giebelseite springen die beiden äußeren linken Achsen hervor. In die so gebildete Ecke ist ein zweistöckiger Breiterker eingesetzt, der sich über das zweite und dritte Obergeschoss erstreckt. An der Ostfront befinden sich drei gekuppelte Fensterachsen. Hier ist in der Mittelachse im Parterre ein quadratisches, steingerahmtes originales Fenster aus dem 16. Jahrhundert erhalten. In der Mitte der Westfront befindet sich ein hohes, abgeschrägtes Rundbogenportal.
Die Innenerschließung des Gebäudes erfolgt über eine Vorhalle, welche sich durch ihr beeindruckendes, spätgotisches, mit Stichkappen und Graten geschmücktes Tonnengewölbe auszeichnet, das weitestgehend in seinem Ursprungszustand erhalten werden konnte und fast die gesamte Decke schmückt. Über die seitlich rechts angestellten, überwölbten Treppenaufgänge sind die vier Obergeschosse zugänglich. Das Innere weist weitere gotische Originalgewölbe in den ersten und zweiten Etagen auf. Umbauten, vor allem in den oberen Etagen, wurden schon im 18. und 19. Jahrhundert durchgeführt. Ein weiteres besonderes Merkmal stellen die vereinzelten gotischen Spitzbogenfenster im Inneren des Erdgeschosses dar, die die Vorhalle besonders repräsentativ und imposant wirken lassen.
Vergleicht man das Gebäude in seinem heutigen Zustand mit Bauzeichnungen und -plänen um 1620, stimmen Grundanlage und Geschossanzahl überein. Der Giebel war damals jedoch noch aus Holz errichtet. Die sechsachsige Hauptfront wies in der zweiten Achse von rechts einen dreigeschossigen, dreiseitigen Polygonalerker mit Zeltdach und geschosstrennenden Gesimsen auf, der heute fehlt. Das Rundbogenportal befand sich in der Frontmitte. Die vierte Achse von links trug im zweiten Obergeschoss einen auf Konsolen ruhenden Breiterker. Die beiden enger zusammengerückten linken Achsen springen dabei deutlich hervor. An der südlichen Seitenfront sind nur drei Fenster erkennbar. Die Rückenfront wird auf der Ansicht vom Turm der Katharinenkirche teilweise verdeckt. Hier ist links des Turmes eine Fensterachse eingezeichnet, rechts davon sind zwei enger aneinander gerückte Achsen erkennbar. Die letzten baulichen Veränderungen, darunter die Errichtung diverser Leichtwände, fanden um 1963 statt und hatten zur Folge, dass die beiden oberen Stockwerke in ihrem Inneren völlig entkernt wurden und jetzt keinerlei originale Bausubstanz mehr aufweisen.
Lacknerhaus
Durch die historische Trennung der Kitzbüheler Vorder- und Hinterstadt, entstand das ehemalige „Lintnerhausstöckl,“ das heutige Lacknerhaus, und stellt sich architektonisch wie eine Art Zwillingsgebäude, als eine Erweiterung des ursprünglichen Stadthauses, dar. Es handelt sich also um eine nachträglich ausgebaute Verlängerung des zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstandenen Gebäudes in der Vorderstadt. Die Fenster im Innenhof zeugen noch heute von dieser ungewöhnlichen Baugeschichte. Das viergeschossige Eckhaus mit seiner rostroten Fassade zeichnet sich durch seine schlichte Sachlichkeit aus, die so charakteristisch für die lokale kantige und massive Architektur profaner Bauten ist. Mit einem rechteckigen Grundriss und von einem Satteldach bedeckt, weist das schlichte Gebäude durch seine Hauptfront sechs Fensterachsen auf. Im Inneren finden sich imposante Tonnengewölbe, die den Räumen eine gewisse Großzügigkeit verleihen.
STRUKTURELLER ZUSTAND ZUR ZEIT DER AKQUISITION
Berggericht
Zur Zeit der Akquisition durch das European Heritage Project im Jahr 2012 befand sich das Berggericht, nachdem ein Jahrzehnt lang keinerlei Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden waren, in einem schlechten Zustand. Durch den Leerstand entstanden waren massive Frostschäden im Mauerwerk sowie an tragenden Holzkonstruktionen und Leitungen. Die Umbauarbeiten im Jahr 1963 hatten erhebliche Beschädigungen der Substanz zur Folge. So hatte die gesamte Bausubstanz erhebliche Entfremdungen erlitten, beispielsweise durch Raumtrennungen mit Leichtbauwänden, vergrößerte Fensteröffnungen oder den Einbau von Kunststofffenstern. Leider waren besonders das dritte und vierte Stockwerk davon betroffen. Hier war auch keinerlei originale Bausubstanz mehr vorhanden, die hätte saniert werden können.
Lacknerhaus
Als das European Heritage Project das Lacknerhaus im Jahr 2013 erwarb, war die gesamte Bausubstanz in einem ruinösen Zustand, da das Gebäude über mehrere Jahrzehnte vollständig leer gestanden hatte. Zudem konnte der frühere Besitzer aufgrund fehlender finanzieller Mittel keine Restaurierungs- oder Sanierungsarbeiten durchführen.
Der äußere Anblick des Gebäudes deutete mehr in Richtung Abbruch, doch bot sich im Inneren des Hauses ein weitaus schlimmeres Bild. Wegen des desolaten Zustands -eingeschlagene oder ganz fehlende Fenster, marode oder teilweise fehlende Leitungen, ein einsturzgefährdeter Dachstuhl, Wasser- und Frostschäden, heftiger Schädlingsbefall – stellte sich die Frage, ob dieses Gebäude überhaupt sanierungsfähig war.
RESTAURIERUNGSMAßNAHMEN
Berggericht
Das leerstehende Gebäude war dem Verfall ausgesetzt, bis es 2012 vom European Heritage Project erworben wurde. Als im Folgejahr schließlich die Bewilligung für die Restaurierungs- und Umbaumaßnahmen erteilt wurde, konnte mit der Sanierung des alten Bestandes begonnen werden.
Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Verkleinerung und Reduzierung der Tür- und Fensteröffnungen gelegt, die bei Umbauten in den 1960er Jahren vorgenommen wurden, um den für Kitzbühel charakteristischen Mauerbau wieder in den Vordergrund treten zu lassen. Ungeeignete, nachträglich eingebaute Kunststofffenster wurden durch historisch akkurate Reproduktionen ersetzt. Die Türstöcke konnten originalgetreu restauriert werden. Nachbauten der Windläden nach Originalvorbild wurden in Auftrag gegeben, so wie sie um das Jahr 1620 ausgesehen hatten. Ein drastischer Rückbau in den Räumen im ersten und zweiten Stockwerk, sowie im Erdgeschoss erfolgte parallel. Es wurden die nachträglich eingebauten Leichtbauwände entfernt, um den historischen Originalzustand zu rekonstruieren.
Bei den beiden oberen Geschossen, einschließlich des Dachstuhls, war das nicht mehr möglich, da hier keine originale Bausubstanz mehr vorhanden war. Allerdings wurde beschlossen, das moderne Blechdach durch ein rekonstruiertes Holzschindeldach zu ersetzen, so wie es in seinem ursprünglichen Zustand im 16. Jahrhundert vorhanden war. Bei der Sanierung der angegriffenen und stark verschmutzten Fassade wurde neben einer Vollsanierung eine Rekonstruktion des einst das Gebäude schmückenden Trompe-l’œils im manieristischen Stil, bzw. der traditionellen Lüftlmalereien durchgeführt.
Das Herzstück der Restaurierungsmaßnahmen stellte die Konservierung der im Erdgeschoss und den beiden ersten Etagen vorhandenen gotischen Netzgewölbe dar. Hierbei wurden vereinzelte Frakturen in der fragilen Konstruktion mit Füllmaterial repariert und auch der an vielen Stellen rissige und aufgeplatzte Putz und die Wandbemalung wurden ausgebessert. Noch vorhandene originale Holz- und Steinplattenböden wurden ebenfalls in Detailarbeit erneuert.
Da das Berggericht durch den Leerstand zwischen 2002 und 2011 nicht genutzt wurde und somit unbeheizt war, entstanden erhebliche Frostschäden, die sich besonders in Beschädigungen der Leitungen sowie im Gebälk des Dachstuhls bemerkbar gemacht hatten. Die dadurch entstandenen Mängel mussten mit hohem Aufwand behoben und sämtliche Leitungen neu verlegt werden. Darüber hinaus waren die Fundamente massiv durchfeuchtet und mussten deshalb trockengelegt und im Anschluss rundum neu isoliert werden. In diesem Rahmen entschloss man sich ebenfalls für den Bau eines Retentionsbeckens Regenwasser und Schmutzwasser zu trennen, um neuesten Umweltschutzrichtlinien nicht nur gerecht zu werden, sondern zugleich für die Stadt Kitzbühel wegweisende Standards zu setzen.
Lacknerhaus
In erster Linie mussten die stark verwahrlosten Innenräume des Lacknerhauses von Unrat, aber auch Tierkadavern befreit werden. Nach der Räumung folgten aufgrund des starken Befalls durch diverses Ungeziefer Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung. Massive Wasserschäden und der sich dadurch zusätzlich über sämtliche Stockwerke ausbreitende Schimmel stellte ein großes Problem dar, weshalb das gesamte Gebäude vom Fundament bis zum Dachstuhl trockengelegt und statisch gesichert werden musste.
Das morsche und einsturzgefährdete Gebälk des originalen Dachstuhls konnte nur mithilfe erfahrener Statiker und Restaurateure repariert werden. Bei der Restaurierung und Stabilisierung der spätgotischen, schlichten Tonnengewölbe konnte auf die Erfahrungen im Berggericht zurückgegriffen werden.
Die betagten Strom- und Wasserleitungen, einschließlich der Sanitäranlagen, waren in einem vollkommen maroden Zustand und wurden nach neusten technischen und energieschonenden Standards erneuert. Ein vollständig neues Heizsystem wurde installiert.
Im gesamten Haus waren die Türen und Fenster undicht und teilweise eingeschlagen bzw. gar nicht mehr vorhanden. Während der Restaurierungsarbeiten wurden sämtliche Türen und Fensterrahmen isoliert und vollständig restauriert oder ersetzt.
Das alte freiliegende Treppenhaus konnte komplett erhalten werden.
2024 wurden alle Renovierungsarbeiten abgeschlossen.
HEUTIGE NUTZUNG
Das European Heritage Project konnte die Restaurierungsarbeiten am Berggericht erfolgreich abschließen. Große Teile des Gebäudes sind nun wieder öffentlich zugänglich. Das Erdgeschoss wird als Ladenfläche genutzt, der erste Stock als Gastronomiefläche für ein Spitzenrestaurant.
Das dort etablierte Fine-Dining-Restaurant „Berggericht“ wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit 4 Hauben vom renommierten Gault-Milau-Führer und rangiert unter den besten drei Restaurants Tirols.
Auch das Lackner-Haus konnte revitalisiert werden. So befindet sich im Erdgeschoss eines der beliebtesten Bistros der Stadt, sowie ein alteingesessenes Juweliergeschäft. Die Räume der oberen Stockwerke werden für Wohnzwecke genutzt.
In Zusammenarbeit mit der Stadt konnte darüber hinaus auch das Umfeld der Häuser saniert werden. So hat das EHP einen eigenen Beitrag zur Neugestaltung der Fußgängerzone Kitzbühels geleistet und an den Arbeiten aktiv teilgenommen. Inzwischen finden rund um die Häuser Wochenmärkte und andere Veranstaltungen statt, die zu einer deutlichen Belebung dieses einst vernachlässigten Teils der Kitzbüheler Altstadt geführt haben.
Ausserdem hat sich das European Heritage Project zum Ziel gesetzt die Stadt Kitzbühel nach Beendigung der aufwendigen Umbauarbeiten beider Baudenkmäler dabei zu unterstützen, die Fußgängerzone um den Bereich der Katharinenkirche gemeinsam umzugestalten. Entsprechende Gespräche haben bereits stattgefunden. Bei dieser Kooperation soll es nicht nur um eine Restrukturierung des Katharinenplatzes gehen. Vielmehr soll die gesamte Altstadt durch die Aufwertung des Stadtkerns aufgewertet und als besonders erhaltenswertes Areal geschützt werden.
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