“Ich fand Rom als eine Stadt aus Ziegeln vor und verließ sie als eine Stadt aus Marmor.”
Augustus, römischer Kaiser
Im Herzen des historischen Zentrums Roms, eingebettet in das Labyrinth der Straßen, die den Raum zwischen dem Pantheon und der Piazza Navona begrenzen, steht der Palazzo Nari a Sant’Eustachio. Das Gebäude diente einst dem einflussreichen Zweig der Familie Naro als repräsentative Residenz. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte Bernardino Naro (1584 – 1671) den Bau des Anwesens bei dem renommierten Architekten Bartolomeo Breccioli in Auftrag gegeben. Um das Bauvorhaben zu realisieren, mussten die mittelalterlichen Häuser, die sich auf dem großen Grundstück zwischen der heutigen Piazza de’ Caprettari, Via Santa Chiara, Via de’ Nari und Via Monterone befanden, weichen. Ursprünglich hatte der Palazzo Nari also auch eine ordnende Funktion, nahm er einen ganzen Häuserblock in einem zentralen Teil der Stadt ein, wo das Gewirr von Straßen und Wegen noch heute wie ein Labyrinth wirkt.
Der Name des antiken Gebäudes geht auf die mächtige Familie Naro, sowie auf eine nahegelegene, antike Basilika zurück und verweist damit nicht nur auf den Zweig der Familie, die sich bereits im Mittelalter in diesem Stadtteil niedergelassen hatte, sondern spiegelt auch die geografische Lage des Gebäudes wider. Um das Eigentum der Nari an dem Gebäude kenntlich zu machen, ist das mit einem Rundbogen versehene Eingangstor, das Gesims und die Seiten der Fenster mit zwei Halbmonden, dem heraldischen Wappen der Familie, verziert. Die Nari hatte zur damaligen Zeit großen gesellschaftlichen Einfluss, zu ihren berühmtesten Mitgliedern zählten militärische Befehlshaber, hohe Mitglieder des päpstlichen Hofes und Kardinäle. Das European Heritage Projekt konnte den bedeutendsten Teil, das Piano Nobile des Palazzo Nari a Sant’Eustachio erwerben, welches ein Paradebeispiel der römischen Architektur des frühen 17. Jahrhunderts darstellt.
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Der Palazzo zeichnet sich nicht nur durch seine besonders harmonische Außenwirkung aus, sondern ist auch im Inneren interessant gestaltet: auf der einen Seite befinden sich Räume, die sich um einen zentralen Innenhof winden und dabei von der Straße aus nicht einsehbar sind; auf der anderen Seite die Räume, durch deren Fenster sich direkt auf die öffentliche Straße hinausblicken lässt. Dies ist der typische Grundriss des Stadtpalastes, der Privatsphäre bietet, aber dennoch immer nach außen, zur Stadt hingerichtet ist, in der er sich befindet. Das gesamte Piano Nobile ist durch große Räume und sehr hohe Decken gekennzeichnet. In fünf Sälen ist die Decke mit wertvoll verzierten Kassetten geschmückt, während im Gewölbe des Hauptsaals – dem wahren Schmuckstück des Anwesens – ein großes Fresko Antonio Gherardis zu bewundern ist, das auch nach mehr als drei Jahrhunderten noch prächtig erhalten ist. Gherardi, ein renommierter Maler, Architekt und Bildhauer aus Arezzo, der Ende des 17. Jahrhunderts in Rom arbeitete, fertigte hier für den Markgrafen Fabrizio Nari eine große allegorische Szene.Das Fresko zeigt den Sieg der Vernunft über die Täuschung, umgeben von vier biblischen Episoden aus dem Buch Esther. Nachdem das Anwesen jahrhundertelang der Lebensmittelpunkt der Adelsfamilie Nari di Sant’Eustachio war, folgte er dem Niedergang der Familie: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der auf die Piazza Santa Chiara gerichtete Teil verkauft und abgerissen, um einen neoklassizistischen Palazzo zu errichten, während der Rest des Gebäudes 1876 an die Familie Serventi verkauft wurde. Zuletzt waren die Räumlichkeiten als gewerbliche Bürofläche zweckentfremdet worden. Mit dem Erwerb des wichtigsten Teils, des Piano Nobiles des Palazzo Nari in Sant’Eustachio beabsichtigt das European Heritage Project, dem Gebäude seinen früheren Glanz zurückzugeben und seine Rolle und Bedeutung im urbanen Kontext, in dem es sich befindet, neu zu bewerten.

KAUFSITAUTION
2022 konnte das European Heritage Project zunächst den ersten Stock, das Piano Nobile mit knapp 700qm erwerben. Die Umstände gestalteten sich jedoch ein wenig mysteriös. Der Verkäufer wechselte während der Verhandlungen mehrfach. Bei der schließlichen Übernahme fand das European Heritage Project die Räume weitgehend verwüstet. So waren Büromöbel umgestürzt worden. Überall lagen Akten und andere Unterlagen kniehoch verstreut. Zerstörte Computermonitore machten das Gehen zu einem gefährlichen Unterfangen. Offensichtlich hatte eine dubiose Gesellschaft die Räume fluchtartig verlassen und nur Festplatten und Unterlagen mitgehen lassen.
Im Jahr 2024 konnte schließlich auch der größte Teil des 2. Stocks samt einigen Lagerräumen im Erdgeschoß erworben werden. Damit war der größte Teil des Palazzos im Eigentum des European Heritage Project. Die Sanierung konnte beginnen.
RESTAURIERUNGSMASSNAHMEN
Die Arbeiten begannen 2022 im Piano Nobile. Neben der Grundsanierung aller Flächen standen vor allem die Erhaltung und Restaurierung der historischen Fresken und teils gotischen Kassettendecken im Vordergrund. Fehlstellen wurden von kunsthandwerklichen Restaurateuren ergänzt und die bestehenden Flächen saniert und geschützt. In Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden konnte der Palazzo weitgehend wieder zu seinem alten Glanz zurückgeführt werden. 2023 wurden die Arbeiten im Piano Nobile abgeschlossen. Für 2025 sind der Abschluss der Arbeiten im zweiten Stock und im Eingangsbereich geplant.
KURIOSES
Obwohl neben dem European Heritage Project im Palazzo selbst nur zwei kleinere, weitere Eigentümer existieren, weist das Klingelschild zirka zwanzig Klingelknöpfe mit Namen auf. Dies liegt daran, dass im frühen 20. Jahrhundert ein Wohnhaus von hinten an den Palazzo angebaut worden war. Und dessen Mieter benutzen den Palazzoeingang quasi als Transitstelle zum Durchgang in ihre Wohnungen.
Der Palazzo Neri befindet sich am kleinen Plätzchen S. Eustacchio. Hier liegt sich eine gleichnamige, kleine Kaffeerösterei mit angeschlossenem Ausschank. Diese Rösterei hat inzwischen Weltruhm erfahren, sodass sich bereits ab dem frühen Morgen lange Schlangen auf dem Plätzchen winden nur um den berühmten Kaffee kaufen zu können.
Die Deckenfresken von Antonio Gherardi im Palazzo Nari a Sant’ Eustachio mit Szenen aus dem biblischen Buch Esther
Der ursprünglich aus Rieti stammende Maler Antonio Gherardi (1638–1702), der in der römischen Werkstatt des Pietro da Cortona ausgebildet wurde, erhielt 1673 vom damaligen Besitzer des Palazzo Nari, dem Markgrafen Fabrizio Nari, den Auftrag, die Deckenausmalung des Saals im piano nobile zu übernehmen. Nach einer Reise durch Nord- und Mittelitalien in den Jahren 1667–1669, während der er zur Abrundung seiner Ausbildung bedeutende Kunstwerke studierte, war Gherardi gerade nach Rom zurückgekehrt, um sich dort als eigenständiger Maler zu etablieren.
Sein auswärtiges Studium machte sich sogleich in seinen ersten größeren Werken in Rom bemerkbar: Seine 1669–1670 ausgeführte Deckenausmalung der nicht weit vom Palazzo Nari unmittelbar an der Fontana di Trevi gelegenen Kirche Santa Maria in Trivio lässt erkennen, dass Gherardi während seines Aufenthaltes in Venedig Paolo Veroneses Deckengemälde im Langhaus der Kirche San Sebastiano mit drei Szenen aus dem Buch Esther (1555–1556) studierte. Die venezianischen Werke wurden aufgrund ihrer perspektivisch anspruchsvoll konzipierten Kompositionen von auswärtigen Künstlern in zeichnerischen Studien ungewöhnlich intensiv rezipiert. Gherardi verwendete seine Studien als direkte Inspirationsquelle für sein Deckenprogramm in Santa Maria in Trivio mit Szenen aus dem Marienleben: Die Komposition von Veroneses dal sotto in su konzipierter Krönung der Esther, die sich auf einer im Profil eingestellten Treppe dem König annähert, verwendete Gherardi für den Tempelgang Mariens und noch weitere, einzelne Figuren sind deutlich von Veronese inspiriert.
Auch bei seinem wenige Jahre später erhaltenen Auftrag für die Deckenausmalung des Palazzo Nari wollte Gherardi seine venezianischen Studien nutzen und den Saal nach dem Vorbild von San Sebastiano gestalten. Drei heute in der Royal Collection in Windsor aufbewahrte Entwurfszeichnungen von seiner Hand belegen, dass er drei Deckengemälde auf Leinwand plante, die entsprechend dem venezianischen Vorbild im Scheitel des Deckengewölbes angebracht werden sollten: Zwischen zwei ovalen Darstellungen mit dem Triumph Davids und dem Urteil Salomos sollte im Zentrum eine quadratische Darstellung mit der Ohnmacht der Esther zu sehen sein. Es ist überliefert, dass dieses eng am Deckenprogramm einer Renaissance-Kirche orientierte Konzept nicht die Zustimmung des Auftraggebers fand. Mögliche Gründe für die Zurückweisung sind im großen Aufwand einer Deckenverkleidung, die zur Integration der Leinwandgemälde notwendig gewesen wäre, sowie in der drückenden Wirkung, die angesichts der geringeren Höhe und Dimension des Raumes entstanden wäre, zu sehen. Außerdem entsprach diese Form der Deckengestaltung nicht mehr dem Trend: Der barocke Zeitgeschmack forderte einen einheitlichen Raumeindruck, in dem Malerei und Architektur illusionistisch verschmelzen.
Gherardi entwickelte daraufhin das schließlich umgesetzte Konzept, das eine vollständige Freskierung der Decke umfasst und sich inhaltlich auf die alttestamentliche Erzählung des Buches Esther konzentriert. Der Maler griff vier für die Handlung bedeutsame Episoden heraus, die vor dem Hintergrund einer illusionistischen Scheinarchitektur den Gewölbeansatz des Saales schmücken. Im Spiegel des Gewölbes öffnet sich die Architektur zu einem blauen Himmel, wodurch der Eindruck luftiger Höhe entsteht. Der Himmel wird vom allegorischen Thema des Triumphs der Wahrheit über die Täuschung dominiert, eine originelle und in dieser Form einzigartige Ergänzung eines Esther-Zyklus. Die vier Szenen aus dem Buch Esther sind nicht chronologisch in einer bestimmten Leserichtung geordnet, sondern korrespondieren inhaltlich jeweils mit der gegenüberliegenden Szene. Der Triumph des Mordechai und die ohnmächtige Esther auf den langen Seiten des Saals zeigen die Begnadigung und Erhöhung der beiden zentralen jüdischen Protagonisten durch den persischen König. An den Schmalseiten des Saales stehen sich die deutlich an Veronese angelehnte Krönung Esthers und ihr späteres Bankett gegenüber, auf dem sie den Günstling des Königs, Haman, als Schmied eines Komplotts gegen ihr Volk enthüllt. Ein Bindeglied zwischen den beiden Themen stellt die zentrale Allegorie dar, welche das Krönungsmotiv sowie den Sieg der Wahrheit über die Täuschung wiederholt. Bei der Gestaltung der allegorischen Figur der Wahrheit orientierte sich Gherardi an Cesare Ripas Iconologia: Sie wird durch eine schöne, nur mit einem weißen Lendentuch bekleidete Frau dargestellt, die einen Palmzweig und ein Buch in ihrer Linken hält, während sie in der erhobenen rechten Hand die strahlende Sonne präsentiert und zugleich den rechten Fuß auf den Erdball stellt – Attribute, die auf die Klarheit, Einfachheit und Realitätsverbundenheit der Wahrheit verweisen. Gherardi fügt als Thron der Wahrheit einen goldenen Wagen mit muschelförmiger Rückenlehne hinzu, der von zwei Putti an langen Bändern nach oben in den Himmel geleitet wird. Ein dritter, über dem Wagen schwebender Putto ist im Begriff, die Wahrheit zu krönen, wodurch ein Verweis auf die ebenfalls gekrönte Esther entsteht, die als Repräsentantin der Wahrheit durch ihre Anklage Hamans im Verlauf der biblischen Geschichte triumphiert. Entsprechend rollt der Wagen der Wahrheit über die Allegorie der Täuschung (Inganno) hinweg, die als Attribut eine in Blumen verborgene Schlange bei sich trägt. (von Nina Niedermeier)
HEUTIGE NUTZUNG
Der Palazzo beherbergt in seiner Belle Etage die römische Dependance des European Heritage Project und des Sacer ac Militare Ordine Constantianum Sancti Georgii. Hier finden Empfänge und festliche Dines statt. Hier wird Kontakt gehalten zur italienischen Regierung und zum Heiligen Stuhl. Die Belle Etage umfasst Repräsentations-, Konferenz- und Empfangsräume. Die zweite Etage dient den Gästen des European Heritage Project und des Ordens als Übernachtungs- oder Besprechungsmöglichkeit.





Videobeiträge:
Dem European Heritage Project ist es gelungen das Piano Nobile des Palazzo Nari a Sant’Eustachio, einem Gebäude aus dem 17. Jahrhundert zu erwerben. Was den Palazzo besonders macht erklärt Prof. Dr. Dr. Peter Löw, Initiator und Kurator der European Heritage Projects im Video.
