„Ich will aus München eine Stadt machen, die Deutschland so zu Ehren gereicht, dass niemand sagen kann, er kenne Deutschland, wenn er München nicht gesehen hat! “
König Ludwig I.
Nur wenige Gebäude der historischen Altstadt Münchens haben die Luftangriffe 1944/45 überstanden. Dazu gehört das 1856 auf der ehemaligen Wallstraße in unmittelbarer Nähe zur Maximilianstraße errichtete Grubersche Stadtpalais.Noch im Mittelalter verlief an dieser Stelle die alte, zweite Stadtmauer der Münchener Innenstadt, deren Reste im Garten des Palais von dieser Zeit berichten. Als die später hier errichteten Wälle der Stadtbefestigung schließlich unter König Ludwig I. geschliffenen und zusammen mit der Maximiliansstraße und den neuen Gartenanlagen des Rings zu einem repräsentativen Quartier umgestaltet wurden, entstand auch das Biedermeierpalais mit ruhigem Garten inmitten der turbulenten Großstadt.
2018 konnte das European Heritage Project dieses Kleinod nach dem Tod der Eigentümerin von der Caritas erwerben und umfassend sanieren. Heute nutzt es das European Heritage Project als deutsche Dependance sowie als repräsentative Ausstellungsfläche für die eigenen Kunstsammlungen.
KAUFSITUATION
Das Gebäude befand sich im Eigentum einer älteren Dame, die bis zu ihrem Tode die Räume selbst nutzte. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters waren jedoch seit Jahrzehnten notwendige Erhaltungsmaßnahmen nicht mehr im notwendigen Umfang durchgeführt worden. Als die Dame 2017 verstarb, vermachte sie das Anwesen der deutschen Niederlassung der Caritas. Für diese war das Gebäude jedoch als Nutzobjekt unzweckmäßig, da zum einen die Geschoßflächen zu klein, zum anderen der Investitionsstau und der notwendige Investitionsbedarf zu hoch waren. Als das European Heritage Project von der Verkaufsabsicht erfuhr, hatten bereits mehrere, vor allem internationale Investoren, ihr Interesse bekundet. Diese hatten jedoch die Absicht das Anwesen in Eigentumswohnungen zu unterteilen und ausländischen Privatpersonen als „pied-à-terre“ zu verkaufen. Damit wäre der ursprüngliche Nutzungsgedanke zerstört worden. In intensiven Gesprächen gelang es dem European Heritage Project, die Caritas von dem Zerschlagungsgedanken abzubringen, um das Palais als Einheit zu erhalten. Im Jahr 2018 konnte das Anwesen schließlich erworben werden.
GESCHICHTE
Nachdem Ludwig der Strenge im Jahr 1255 seine Residenz nach München verlegt hatte, wurde eine zweite Stadtbefestigungsmauer notwendig, die erstmals Teile der späteren Maximilianstrasse einbezog. Das Areal der Stollbergstraße lag jedoch immer noch außerhalb des damaligen Stadtgebietes. Auch die im 15. Jahrhundert errichtete Zwingermauer reichte noch nicht bis dorthin. Erst die im 17. Jahrhundert errichteten Wallbefestigungen erfassten auch die Fläche der heutigen Stollbergstraße. Als Ende des 18. Jahrhunderts der Festungsstatus von München aufgehoben wurde, begann die Schleifung der Wälle. An ihrer Stelle wurde u.a. die Wallstraße, später Stollbergstraße, erschlossen. Im Zuge der Neugestaltung der Münchener Innenstadt durch König Ludwig I. erfolgte nicht nur die Anlage der neuen Maximiliansstraße im italienischen „Maximilian“-Stil, sondern auch die Umwidmung der freigewordenen, ehemaligen Wallflächen. Insbesondere in der nahen Umgebung der Maximilianstrasse entstanden zahlreiche repräsentative Stadtvillen für das gehobene Bürgertum. So gab 1855 Julius Gruber, der Gesellschafter der renommierten Palmerschen Hofbuchhandlung , den Neubau eines stattlichen Stadtpalais in der Wallstraße bei dem damals wohl angesehensten Münchner Architekten Friedrich Bürklein in Auftrag. Bürklein, Schüler von Friedrich von Gärtner, und seit 1852 königlicher Baurat, war nicht nur das Mastermind hinter der neuen Maximilianstraße, sondern auch Gestalter des Münchner Bahnhofsgebäudes, sowie des Maximilianeums. Sein Entwurf des Gebäudes ging von einem quadratischen Grundriss aus. 1858 konnte das Grubersche Stadtpalais schließlich fertiggestellt werden. Es bestand zunächst aus einem dreigeschoßigen Hauptbau mit einem rückseitig gelegenen Stadtgarten mit kleinem Teehaus. In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen Erweiterungen. So wurde 1890 das niedrigere Geschoß zur Gartenseite hin erhöht. Straßenseitig wurde das Haupthaus um drei Zimmer aufgestockt. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte dann die Ausstattung der Erker- und Treppenhausfenster mit Buntglasinstallationen.
ARCHITEKTUR
Die Fassade des Gebäudes erinnert an das Münchner Biedermeier. Die strenge Gliederung in vier Geschosse mit jeweils fünf Fenstern wird durch eine zentrale Erkeranlage mit kannelierten Säulenelementen unterstrichen, die sich vom 1. bis in das dritte Stockwerk erstrecken. Ein zentraler Spitzturm mit vergoldeter Windfahne schließt die Fassade nach oben hin ab. An der Front als dekorative Schmuckelemente angebracht finden sich vier „Maximiliansrosen“, wie sie die großen Gebäude der nahen Maximilianstraße zieren. Überragt wird das Ensemble von dem Turm des Treppenhauses, der seitlich angelegt die strenge Symmetrie durchbricht. Bei den Erkern sind die historischen Buntglasfenster noch weitgehend erhalten. Der Eingangsbereich des Anwesens reflektiert den repräsentativen Charakter des Gebäudes. Ornamentale Zementfliesen zieren die Böden, Stukkaturen die Decken. Besonders auffällig ist das spiralförmig ausgelegte Treppenhaus, dass das Erdgeschoß mit dem 4. Stockwerk verbindet. Besonders gelungen erscheint hier die transparente Gestaltung des Kuppeldaches, das dem Licht ungehinderten Eintritt erlaubt und so dem Treppenhaus eine unerwartete Leichtigkeit verleiht. In den Räumen des Erdgeschosses und des ersten Stockes konnten die historischen Einbauten größtenteils erhalten werden, während sie in den höheren Stockwerken bereits zumeist entfernt waren. Der kleine Park hinter dem Haus ist ein besonderes Juwel in der Münchner Innenstadt. Nach Süd-Osten ausgerichtet bündelt er insbesondere bis zum Nachmittag das Licht und bietet jedem Besucher Ruhe und Entspannung in der ansonsten hektischen Innenstadt. Das kleine Teehaus mit seinen lieblichen Bemalungen aus dem Biedermeier konnte in Gänze erhalten werden und spiegelt die Rezeption ursprünglich adeliger Gartenkultur in das bürgerliche Leben wider.
ZUSTAND BEI AKQUISITION UND RESTAURIERUNGEN
Das Anwesen wurde bis 2017 von der Eigentümerin, einer älteren Dame, selbst bewohnt. Aufgrund des hohen Alters der Dame waren notwendige Erhaltungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum unterblieben. Dies erforderte eine umfangreiche Renovierung. Im Zuge der Arbeiten wurde das gesamte Dach erneuert, die Elektroinstallationen ausgetauscht und die Sanitäranlagen in einen zeitgemäßen Zustand gebracht. Die teilweise original erhaltenen Parkettböden wurden fachmännisch restauriert, Türen und Fenster, soweit noch original erhalten, überholt. Die gesamte Heizungsanlage wurde ausgetauscht und durch eine Niederenergieheizung ersetzt. Die Wohnungen wurden außerdem mit Fußbodenheizungen ausgestattet. Die Fassade wurde instandgesetzt und nach Vorgaben des Denkmalschutzes ertüchtigt.
HEUTIGE NUTZUNG
Die historischen Wohnräume im Erdgeschoß und im ersten Stock werden wieder als Wohnräume genutzt. Die darüber liegenden Stockwerke beheimaten einen Teil der Kunstsammlungen des European Heritage Projects, insbesondere Kunstwerke der Moderne und Zeitgenössisches. Die Ausstellungsräume dienen gleichzeitig als Dependance des European Heritage Projects in Deutschland, wo regelmäßig politische Gespräche, aber auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden.
Videobeiträge:
Das European Heritage Project hat eine Darstellung Münchens erworben, die der Künstler Bernardo Bellotto, auch Canaletto genannt, während seiner Zeit in der Isarmetropole malte. Außerdem konnte eine Vorzeichnung und ein Stich, der wahrscheinlich kurz nach dem Bild entstand, erworben werden. Durch den Erwerb der Werke konnte das European Heritage Project den Verbleib eines Teils der bayerischen Kulturgeschichte in der Region sichern.